Heute vor 50 Jahren, am 21. November 1965, wurde der Personenverkehr zwischen Scheibenberg und Elterlein eingestellt. Die Buchholzer 86 126 bespannte an diesem Abend den letzten Reisezug von Elterlein nach Schlettau, gebildet aus vier Behelfspersonenwagen (MCi) und einem Packwagen (Pwgs 88). Die Lok war mit Girlanden geschmückt und Kreideanschriften versehen. Zehn Monate später, am 24. September 1966 wurde auch der Güterverkehr eingestellt. Anschließend hat man die Strecke noch ein Jahr lang zur Abstellung von Schadwagen genutzt. 1968 erfolgte der Gleisrückbau. Der Abschnitt Elterlein – Scheibenberg war derjenige Teil der "Obererzgebirgischen Aussichtsbahn" (ZS-Linie), welcher dem reparationsbedingten Rückbau ab Ende August 1947 knapp entgangen war. Die Gleise im Bahnhof Elterlein waren bereits abgebaut, wurden aber umgehend wieder errichtet, der Reiseverkehr ruhte nur einen knappen Monat. Die immensen Anwohnerproteste konnten zumindestens diesen Kompromiss erwirken. Grünhain, Bernsbach und Beierfeld gingen leer aus.
Der größte Kunstbau im Abschnitt Elterlein - Scheibenberg war die "Schwimmbadbrücke" über das Schlangenbachtal (km 19,24, 135 m lang, 21,2 m hoch). Sie wurde im Februar 1972 gesprengt, die Widerlager stehen noch. 1999 entstand wenige Meter daneben das Straßenviadukt der Elterleiner Ortsumgehung. Erwähnenswert ist auch die Hermannsdorfer Langklotzbrücke (km 20,91, 120 m lang, 13 m hoch). Einzige Zwischenstation auf der Reststrecke war der Haltepunkt Hermannsdorf (km 21,50), ausgestattet mit einer typischen hölzernen Wartehalle. Überlebt hat bis heute das Postenhaus VII (km 19,75), unweit der Schwimmbadbrücke.
Als P 1996 im Bf Elterlein zur Abfahrt bereit stand, dämmerte es schon. Das Personal nimmt traditionell Aufstellung. Beim allerletzten Zug wäre es dafür zu finster gewesen. Wie man sieht, hat man noch einen Güterwagen (G 10) aufgenommen. Aufnahme: Günter Meyer (†)
Der Elterleiner Bahnhof im Dezember 2014 (Gleisseite, Blick Richtung Zwönitz).
Ein knapper Kilometer ZS-Gleis blieb auch 1968 vom Rückbau verschont und wurde zum Scheibenberger Bahnhofsgleis. Mit der Aufgabe des Bf Scheibenberg 1995 wurde das Gleis von der BSg abgebunden. 2004 existierten noch Reste davon.
Das Originalgleis der ZS, ca. 1,2 Kilometer lief es parallel zur BSg. Zustand am 10.04.2004.
Am 17.11.2015 fand zu Ehren von Günter Meyer eine Abschiedsfahrt zwischen Glauchau und Cranzahl statt. Er hatte vor 50 Jahren (nicht nur) die letzten ZS-Reisezüge dokumentiert und sicherlich auch die Lok geschmückt. Hier sehen wir den Zug auf der Rückfahrt in Scheibenberg. Die Elterleiner Züge fuhren planmäßig ein paar Gleise weiter links ab, aber die liegen schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr.
Hier noch ein schönes historisches Foto. Die herrliche sächsische Abteilwagengarnitur wird von einer 86er nach Elterlein gebracht. Oberhalb der Lok kann man den Bahnhof erkennen. Unmittelbar links vom Zug steht der Posten VII.
schön, dass Du an das Jubiläum erinnerst. Obwohl ich die Strecke selbst nicht mehr aus eigenem Erleben in voller Länge kenne, da ich bei der Einstellung zwischen Zwönitz und Elterlein gerade -30 Jahre (in Worten: minus dreißig Jahre) alt war :-) ist es eine meiner Lieblingsstrecken. Landschaftlich toppt die Strecke nochmals einige der umliegenden anderen Bahnlinien, das muss man neidlos eingestehen. Ich bin die Strecke erstmals im Oktober 1993 abgewandert, damals in den Herbstferien als Gymnasiast im Alter von 16. Ist auch schon wieder 22 Jahre her!
Das war damals noch 'ne Tour: Früh mit dem ersten Zug um 4.58 Uhr ab Greiz-Aubachtal bis Zwönitz, dort Ankunft 7.31 Uhr. Das Umsteigen in Neumark, Zwickau Hbf und Aue war gar kein Problem: Überall nur 3 bis 5 Minuten Umsteigezeit und dann gings mit dem Anschlusszug weiter. Auch dies wäre heute nicht mehr möglich - siehe der Beitrag zu "150 Jahre Greiz - Neumark", auch diese Strecke nur noch in memoriam...
Tagsüber dann die ganze Zeit Zeit, um die ZS-Linie abzuwandern, über 26 km. Es war für mich wie eine Wanderung durch das "Märchenland". In Grünhain erst mal noch nen zweiten 36er-Film gekauft, da der erste zwischen Zwönitz und Grünhain schon voll war. Ich "musste" mehr Bilder machen, als ich vorher vermutet hatte. Zwischen Grünhain und Elterlein ein altes Ehepaar im Wald getroffen, wo mir der Mann erzählen konnte, wie er als Kind beobachten konnte, wie bei Elterlein in den letzten Kriegstagen 1945 ein Flugzeug abgestürzt (oder abgeschossen?) worden sei, dessen Wrackteile dann auf der "Richtergeraden" nahe Elterlein auf Bahnwagen verladen wurden und die Kinder beobachteten all das aus der Ferne, weil sie ja nicht nahe ran durften.
In Elterlein bin ich auf gut Glück ins Rathaus und habe mir das Buch von Claus Schlegel gekauft "Die alte Erzgebirgsbahn". Ich kam mir damit auf einmal übelst "reich" vor, obwohl ich durch diesen Kauf um meine letzten rund 30 DM ärmer geworden war - hatte ja erst recht kein Geld damals als Tennie.
Als ich mich dem Bf. Scheibenberg näherte, sah ich noch das alte Streckengleis der ZS neben der BSg liegen und fotografierte dieses auch noch in der Dämmerung mit 1/30 Sek und Blende 2,8, aber auch das stellte immer noch eine Unterbelichtung dar, so dunkel war es schon, so dass dieses Bild schön super-grobkörnig geworden ist. Abends dann noch nen Schwatz mit dem Fdl in Scheibenberg gemacht - 1993 war das ja noch ein Bf. und noch besetzt. Es war noch etwa eine Stunde Zeit bis zur Abfahrt des damals noch planmäßigen Personenzuges nach Schwarzenberg mit BR 201 oder 202. Als die Abfahrtszeit dann ran war, trat ich die Heimreise nach Greiz bzw. bis zum Bf. Greiz-Aubachtal an, mit Umsteigen in Schwarzenberg, Zwickau und Neumark. 21.58 Uhr Ankunft in Greiz-Aubachtal, ein sehr erlebnisreicher Tag ging zu Ende.
Seitdem bin ich die ZS-Linie schon x-mal wieder abgewandert, zumeist dann nur in Teilstücken, oder aber auch mit dem Fahrrad geht das gut, das dann auch locker in voller Länge, ohne dafür einen kompletten Tag zu benötigen. Aber es hat heute nicht mehr das Flair wie damals 1993. In den Jahren kurz nach der Wende war alles noch uriger und authentischer. Durch die Umgehungsstraße bei Elterlein, das Gewerbegebiet in Elterlein und die ganzen anderen Landschafts-Verhunzungen, die in den letzten 25 Jahre überall stattgefunden haben, und eben auch in dieser Gegend, "atmet" das alles nicht mehr so die Echtheit wie damals '93. Damals fühlte es sich an wie "Märchenland", heute hat es zumindest an manchen Stellen eher so das Feeling wie Autobahnanschlussstelle Chemnitz-Röhrsdorf oder so. Aber zum Glück nicht überall. Die Streckenabschnitte im Wald sind immer noch toll.
Holger, danke für die interessanten Erinnerungen. Es stimmt, in den 1990ern hat "Eisenbahnarchäologie" noch mehr Spaß gemacht. Sterile gepflasterte Fußwege, Einheitslaternen aus dem Baumarkt und der weit verbreitete "Gewerbegebiet-Charme" passen selten zu den heute noch vorhandenen Relikten. Empfehlenswert ist heute noch eine Wanderung zur Fuchsbrunnbrücke im Wald zwischen Zwönitz und Bernsbach, dem letzten großen stählernen Zeitzeugen dieser wunderbaren Strecke.
@Gunter: Ich war der Meinung, der Klinkerbau mit Spitzdach, welcher über der 86 zu sehen ist, wäre das EG von Elterlein. Aber das kann täuschen, ist aber letztlich auch nicht so relevant.
Schöner Bericht. Das EG in Elterlein passt schon. Weder die regionale Verkehrsgeschichte 14 - "Die Obererzgebirgische Aussichtsbahn" noch der im September 1996 dazu erschienende Artikel zu Werbung des Büchhlein aus gleichnamigen Verlag sagen Gegegnteiliges aus.
das bezog sich auf das Landschaftsbild, welches ich am Ende nur verlinkt habe. Dieses Bild ist übrigens auch Titel des von Holger erwähnten Buches "Die alte Erzgebirgsbahn". In einem Eisenbahn-Journal-Artikel aus dem Jahr 1998 zur ZS war das Bild mit einem vergrößerten Ausschnitt abgedruckt. Da war links das Wärterhaus mit drauf.
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Vor 50 Jahren: letzter Reisezug Elterlein – Scheibenberg
21.11.2015 20:00 (zuletzt bearbeitet: 21.11.2015 20:19)
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