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Im ersten Teil

Teil I [www.eisenbahnforumvogtland.de]
Teil II hier
Teil III [www.eisenbahnforumvogtland.de]
Teil IV [www.eisenbahnforumvogtland.de]
Teil V [www.eisenbahnforumvogtland.de]

widmeten wir uns vornehmlich der auf drei Tagesetappen aufgeteilten Hinreise. Nun bleiben wir etwas länger am Fuße des Piringebirges und immer in der Nähe der Rhodopenbahn.


Mittwoch, 19.07.2023

Einen Wecker hatte ich mir nicht gestellt, aber ich wachte trotzdem deutlich vor dem Rest der Familie auf. Das Lüften hatte sich gelohnt, es war richtig kühl in der Ferienwohnung. Am Vorabend konnte ich mir noch einen kurzen Überblick über die Fahrzeiten der Rhodopenbahn verschaffen. Im Grunde gab es da gar nicht viel zu merken. Es gibt vier Zugpaare auf der ganzen Strecke, dazu noch drei auf Teilstrecken. Im Bahnhof Dobrinishte, den wir von der Terrasse erblicken konnten, startet der erste Zug früh halb Sieben und eine Stunde später kommt der erste Zug an. Das ist quasi ein halber Nachtzug, denn er startet 02:20 im 125 Streckenkilometer entfernten Septemvri, womit auch alle Fragen zur Geschwindigkeit der Züge geklärt sind.

Der Blick auf das Zugradar der Bulgarsichen Eisenbahn verriet, dass der Zug pünktlich unterwegs ist, also lief ich die etwa 400 Meter zum Bahnhof und bereute bei 11°C Außentemperatur nicht, eine Strickjacke übergezogen zu haben. Solche Temperaturen sollten wir, bzw. ich, der Rest schlief ja noch, eine Weile nicht mehr fühlen.
Am Bahnhof angekommen, musste ich erstmal feststellen, dass die Schatten noch ein Großteil der Gleise beherrschten und ein klassisches Bahnhofsfoto mit Empfangsgebäude ausfiel. So lief ich wieder zurück in Richtung FeWo und nahm auf einer kleinen Schutthalde Platz, welche direkt neben der letzten Weiche der Strecke lag. Kurz darauf traf auch schon der Zug im Bahnhof ein und entließ seine Fahrgäste, deutlich mehr, als ich annahm, dachte ich doch, diese Bahn erfüllt inzwischen lediglich einen Selbstzweck. Nur ein paar Minuten später, begann auch schon das Rangiergeschäft und die Lok setzte um und erreichte somit auch die letzte Weiche der Strecke.


Morgens, halb Acht in Dobrinishte. 75 006 hat den Frühzug hinauf an den Fuß des im Hintergrund thronenden Rila-Gebirges gebracht. Und wahrscheinlich gibt es für den Kuppelknecht keinen schöneren Platz als an der Front der fast 60 Jahre alten Maschine.

Wie bereits erwähnt, hatten wir nun eine Woche Ferienwohnung vor uns, was bedeutete, dass kein ausgiebiges Frühstücksbuffet auf uns wartete. Im Netzt fand ich zwar einen Bäcker in Dobrinishte, im Ort diesen jedoch nicht. Und so sehr ich die kleinen Läden mit gekühlten Getränken und allerhand anderer Sachen bereits anpries, Backwaren gehören eher nicht zu deren Produktportfolio. Blieb also nichts anderes übrig, als nach Bansko zu fahren. Mir fällt es schwer, Bansko mit einem konkreten Ort zu vergleichen, aber es ist in etwa das Garmisch oder Chamonix Bulgariens. Nicht St. Moritz. Vielleicht auch nur Winterberg. In jedem Fall ein Ort mit vielen Hotels und einem sehr stark auf alpine Aktivitäten ausgerichteten Profil. Blöderweise gab es auch hier keinen klassischen kleinen Bäcker, wie man sie aus Deutschland kennt. Also vielleicht schon, aber dieser hatte geschlossen, am Mittwoch, und der andere war aufgrund einer großen Straßenbaustelle de facto abgeschnitten. Blieb die örtliche Dependance einer österreichischen Einzelhandelskette. Die bot zwar nicht die Exotik und Liebenswürdigkeit der kleinen Straßenläden, dafür alle gewünschten Waren an einem Platz. Ach, es ist schon eine Krux mit Kapitalismus und Klimawandel. Wieviel sollte man selbst entbehren? Ist es sinnvoll für Produkte wie Eier, Käse, Brot und Obst jeweils einen anderen Laden aufzusuchen?
Definitiv sinnvoll war es auf dem Hinweg einen Stopp an einem Bahnübergang kurz vor Bansko eingelegt zu haben, trotz der stark aufgewühlten und von großen, losen Steinen gesäumten Straße.


Nachdem 75 006, wie bereits zuvor beobachtet, umgesetzt hat, fährt sie nicht gleich wieder die komplette Strecke zurück, sondern als KPW 16230 lediglich bis Raslog, das zwar keinen touristischen Glanz besitzt, mit 20.000 Einwohnern aber die größte Stadt auf der Hochebene darstellt.

Das Abliefern der Einkäufe brachte die Erkenntnis, dass die Familie immer noch mehr oder minder in der Traumwelt wandelte und somit die Entscheidung, den nun anstehenden Zug von Razlog nach Dobrinishte in den Fokus zu rücken, denn die Wendezeit beträgt dort mehr als eine Stunde. Somit war auch der erste Fotopunkt gesetzt.


Nun geht es für das Henschelfabrikat wieder zurück nach Dobrinishte. Mit KPW 16231 verlässt sie den Bahnhof Raslog. Im Hintergrund übrigens weder die Rhodopen, noch das Pirin-Gebirge, sondern Ausläufer des Rila-Gebirges, womit alle sich hier auf der Hochfläche treffenden Gebirgszüge genannt sind.

Den nächsten Fotopunkt hatte ich bereits auf der Hinfahrt zur Proviantbesorgung ausgeguckt, einen kleinen Feldweg-Bü zwischen Sveti Georgi und Dobrinishte, bei dem man die höchsten Berge des Pirins im Hintergrund hat. Wider meine Erwartung stand die Sonne schon sehr spitz auf der anderen Seite. Das müsste man die nächsten Tage nochmal mit einem Zug eher probieren. Ich blieb trotzdem stehen und nach einer deutlich längeren Wartezeit als laut Fahrplan angenommen, der Zug stand deutlich länger in Bansko als verzeichnet, stampfte die Henschellok dann endlich entgegen, buchstäblich.


Die Gleislage der Rhodopenbahn verleitet die Lokomotiven mitunter zu Tanzeinlagen, auch am Bü kurz vor Dobrinishte.

Danach gab es dann das wohlverdiente und reichhaltige Frühstück auf der Terrasse. Die nächsten Tage muss dies aber eher beginnen, denn die Schatten verschwanden während des Essens zusehends. Als Ausflugsziel wählten wir Bansko, speziell die dort beginnende Seilbahn. Weiter oben sollten die Temperaturen, die inzwischen die 30°C-Marke erneut hinter sich gelassen hatten, etwas erträglicher sein. Leider fiel die Rhodopenbahn aufgrund des dünnen Fahrplans als Verkehrsmittel aus, denn der nächste Zug nach Bansko würde Dobrinishte erst in mehr als zweieinhalb Stunden verlassen. Unsere Abfahrt verzögerte sich noch ein wenig, da wir die Tür nicht von außen abschließen konnten. Dass man die Klinke erst nach oben drücken muss, um das Schloss „freizugeben“, kannte ich auch noch nicht.


Blick zurück aus der Bansko Gondola, die hinauf zum Skigebiet unterhalb des Hausbergs Todorka führt, auf Bulgariens bekanntesten Wintersportort.

Die Seilbahn endete auf einer kleinen Ebene, wo es eine größere Gaststätte und ein paar Aktivitätsmöglichkeiten gab, eine ziemlich lange Wasserrutschbahn gehörte auch dazu. Ich wäre gerne noch mit einem weiteren Lift etwas weiter hinaufgefahren, um dann dort vielleicht sogar bis zum Todorka selbst hinauflaufen zu können, leider waren die alle außer Betrieb. So wanderten wir einem kleinen Bach entlang hinauf zur Banderitsa Hut, wo man speisen und übernachten kann.


Der Weg hinauf hielt sogar einen kleinen Wasserfall bereit


In der Banderitsa Hut gab es Shopska-Salat, Palachinka und ein hopfenhaltiges Kaltgetränk.

Entspannt liefen wir wieder hinab und mittels Seilbahn erreichten wir Bansko zufällig zu einer Zeit, in welcher auch ein Zug in Bälde auf der Hochfläche eintreffen würde. Mit diesem wollte ich unbedingt den Motivklassiker an der Straßenbrücke kurz vor Raslog umsetzen. Danach wurde der Zug verfolgt, wobei das Wort „Verfolgung“ im Sinne einer wilden Straßenhatz völlig unpassend gewählt ist und ich derartigen Stress sowieso nicht mag. Vielmehr gestaltet sich die Realisierung mehrerer Fotos aufgrund der niedrigen Streckengeschwindigkeit und tlw. längerer Stationsaufenthalte sehr entspannt. Ein solcher fand auch in Bansko statt, wodurch wir nochmal beim Haltepunkt Sveti Georgi hielten. Aber der Streckenrandbewuchs ließ keine große Lücke für den Zug, dafür stand die Kirche, die mich irgendwie an alte Westernfilme erinnerte, gerade günstig im Licht.


Neben der Moschee in Cherna Mesta wahrscheinlich das bekannteste Motiv der Strecke, der Blick von der Straßenbrücke kurz vor Raslog auf die ziemlich trockene Hochfläche und 75 009 mit PW 16105 nach Dobrinishte


Zwar ist bei Raslog schon die Hochebene erreicht, aber bis zum 890 Meter hoch gelegenen Bahnhof Bansko müssen noch ein paar Höhenmeter überwunden werden. Das geschieht parallel zur Schnellstraße.


Die Kirche zum heiligen Georg verfügt, da direkt an der Straße zwischen Bansko und Dobrinishte gelegen, nicht nur über eine hervorragende Anbindung für den MIV, sondern, wie man am linken Bildrand erkennt, auch für Bahnreisende. Ob die Fahrzeiten der Rhodopenbahn günstig für die Gottesdienste liegen, habe ich nicht recherchiert.

Da wir heute spät gefrühstückt und an der Banderitsa Hut noch einen kleinen Imbiss hatten, hielt sich der Appetit in Grenzen. Zudem hatte der Familienvorstand ohnehin noch einiges auf der Einkaufsliste stehen, also setzte sich die ältere Generation noch einmal ins Auto, während die Jugend die Vorzüge des schnellen WLANs auskostete. Keine Einwände gab es gegen den Vorschlag, das Ganze noch mit einem Eisenbahnfoto zu verbinden, na gut, es wurden zwei daraus.


75 009 hat in Dobrinishte umgesetzt und steht mit dem letzten Zug des Tages nach Septemvri bereit, welches erst gegen 23:00 Uhr erreicht wird. Im Hintergrund sieht man das Ferienressort, in welchem auch wir unser Domizil fanden. Und das in erster Reihe.


Als Standpunkt für ein Streckenfoto des PW 16108 diente der gleiche Bü, wie heute Morgen im Gegenlicht. Etwas verwundert war ich über die in Fahrplantabelle und Internetauskunft unterschiedlichen Fahrzeiten, die etwa 15 Minuten auseinanderlagen und die spätere, auch in der Radar-App verzeichnete, sich als die korrekte erweisen sollte.

Nach den Besorgungen und der Zubereitung des Abendmahls, klang der Tag sehr entspannt bei angenehmen Temperaturen auf der Veranda aus.


Donnerstag, 20.07.2023

Angedacht hatte ich, wie am Vortag den ersten in Dobrinishte ankommenden Zug in den Fokus zu rücken, diesmal aber am bereits gestern erwähnten Bahnübergang kurz vor Dobrinishte, dort wo die Lok so schön stampft und man die höchsten Berge des Pirin im Hintergrund hat. Aber der Blick auf das Zugradar offenbarte eine einstündige Verspätung. Vorweg, es sollte die einzige nennenswerte Verspätung der Rhodopenbahn während unseres Aufenthalts bleiben. Kein Nachteil ohne sich daraus ergebenden Vorteil. Die Verspätung verteilte zwar das Bild am Bü, könnte aber ein gut ausgeleuchtetes Bild am Bahnhof Dobrinishte ermöglichen, verdunkeln die Baumschatten zur Planzeit selbst jetzt an den relativ langen Tagen des Jahres die Gleise und Empfangsgebäude. Letzteres lag zwar eine Stunde später im Licht, die Gleise jedoch immer noch im Dunkeln. Als Zuglok fungierte mit 77 002 die einzig noch in Betrieb stehende Maschine der 1988 von der rumänischen Lokomotivschmiede „23. August“ beschafften, 10 Lokomotiven umfassenden Serie der Baureihe 77, deren Konstruktion stark von den 20 Jahre älteren Henschelloks beeinflusst wurde und sie eigentlich vollständig ablösen sollte.


Dass rumänische Lokomotiven sich als Sorgenkinder herausstellen, kennen ehemalige Reichsbahner dank der „U-Boote“ zur Genüge. 77 002 erhielt im September 2022 eine Generalüberholung samt Neulackierung. Hier der Blick auf das Umsetzen in Dobrinishte aus etwas anderer Perspektive.

Weitere Fotoambitionen hatte ich an diesem Morgen nicht, da wir beim gestrigen, abendlichen Beisammensein auf der Terrasse einen Ausflug zum 2645 Meter hohen Bezbog verabredeten. Aber die Familie ließ es trotzdem ruhig angehen, wenngleich wir diesmal der Sonne keine Chance gaben, das Frühstück negativ zu beeinflussen. Zum Bezbog gelangt man auf mehreren Wegen. Der kommodeste ist dabei die Nutzung des Liftes hinauf zur Bezbog Hut und von dort zu Fuß hinauf zum Gipfel und wieder zurück. Komplett von Dobrinishte bis hinauf zum Gipfel zu laufen fiel aufgrund der großen Distanzen aus. Man muss dazu erwähnen, dass sich Pirin- und Rilagebirge deutlich von den Alpen unterscheiden und viel weitläufiger daherkommen. Es gibt hier nicht die zahlreich erschlossenen Täler, von denen aus dann die Berggipfel durch gut gekennzeichnete Wanderwege, Kletterpfade oder Seilbahnen zu erreichen sind. So ist die Talstation des Bezbog-Liftes ist nur durch eine kilometerlange, sehr schmale und kurvige Straße aus zu erreichen, auf die in Dobrinishte auch kein einziges Schild hinweist. Und dort angekommen erwartet einen keine topmoderne Doppelmayr-Kabinenbahn, sondern ein Sessellift aus Zeiten des real existierenden Sozialismus, der aber, nicht falsch verstehen, einen sicheren Eindruck machte. Nur solche Annehmlichkeiten, wie eine langsamere Geschwindigkeit zum sicheren Ausstieg, die sucht man vergebens. Dafür warten an jedem Ausstieg, an einer Mittelstation muss umgestiegen werden, zwei kräftige Herren, die einem beim „Absprung“ unterstützen, euphemistisch formuliert.


Die Bergstation des Bezbog-Liftes auf etwa 2000 Meter Höhe. Müssen keine Passagiere aus den Sesseln herausgeschleudert werden, bleibt den Mitarbeitern etwas Zeit zur Konversation. In die Ferne schweifen stellt aufgrund der schlechten Sicht auch keine Option dar.

Direkt an der Seilbahnstation wartet ein größerer Hotelbau, der aber keinen belebten Eindruck machte und eher etwas verfallen wirkte. Etwas weiter und direkt am wunderschön gelegenen Bergsee gibt es aber eine kleine bewirtschaftete Hütte. Diese liegen wir aber links liegen und liefen mehr oder weniger schnurstracks dem Bezbog entgegen. Nach der Seepassage geht es ein paar hundert Meter sehr steil bergauf, es folgt ein flaches Stück und danach wieder ein steilerer Anstieg mit einem rutschigen Geröllabschnitt. Auf der folgenden kleinen Hochfläche kann man sich noch zwischen dem 2851 Meter hohen Polezhan und dem Bezbog entscheiden. Oder man macht beide, aber dafür war es heute schon zu spät. Die letzten Meter hinauf zur Spitze prägten große Geröllfelder, wobei die lockeren, wackeligen Steine in der Unterzahl blieben.


Der Gipfel des Bezbog, ich vermisste ein Gipfelbuch.


Blick hinab nach Dobrinishte, sofern man es erkennt, die Rhodopen (die Hügel rechts oben) und das Rila (im Dunst links kaum auszumachen)


Kleiner Eindruck von den Gegebenheiten an der Gipfelflanke des Bezbog, die Hälfte der Steine bewegten sich beim Drauftreten, aber es war nie gefährlich.

Wir waren froh, den Lift wieder rechtzeitig erreicht zu haben, denn, noch ein Unterschied zu den Alpen, zwischen 16 und 17 Uhr ist hier in der Regel Betriebsschluss. Davon war glücklicherweise die Gastwirtschaft an der Talstation weit entfernt und so konnten wir dort ein gutes und reichhaltiges Mahl genießen. Hervorzuheben ist die Möglichkeit, sich dort die Forelle selbst angeln zu können.
Zuhause angekommen, gab es eine erfrischende Dusche. Denn hier im Tal herrschten auch am späten Nachmittag noch mehr als 30°C. Die Ferienwohnung verlassen wurde dann nur noch einmal am Abend, denn der letzte Zug des Tages nach Dobrinishte sollte doch mindestens einmal auf Chip gebannt werden. Diesen bespannte wie heute Morgen 77 002, was auch der Mond bzw. ein Teil dessen zur Kenntnis nahm.


Der letzte Zug des Tages - PW 16107 ist am Nachmittag in Septemvri gestartet und erreicht Dobrinishte erst kurz nach Einbruch der Dunkelheit.

Der Tag wurde danach mit der Planung der Fotostellen für den Folgetag verbracht, denn die Familie wollte morgen nicht groß raus in die Hitze, sondern die Vorzüge der Unterkunft nutzen, die sich trotz Sonne und Hitze und fehlender Klimaanlage als recht temperaturstabil erwies.

Was der komplette Fototag an der Rhodopenbahn hervorbrachte, einen Ausflug zum Meer und eine Zugmitfahrt über den spektakulärsten Abschnitt der Bahn gibt es im nächsten Teil zu sehen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und viele Grüße
björn