Hallo,

der erste größere Familienurlaub in 2018 führte über Ostern auf die Apenninenhalbinsel. Als Feriendomizil wurde die Toskana auserkoren. Neben dem erhofften Wetter, die Osterprognose für heimische Regionen war ja nicht sonderlich ansprechend, den historischen Ortschaften und dem kulinarischen Angebot, lockte auch der Bahnverkehr. Von Florenz aus verkehren auf zwei Relationen noch diesellokbespannte Wendezüge. Neben der Strecke nach Borgo St. Lorenzo, welche, auch aufgrund der Stellung der Lokomotive, fotografisch nicht so viel herzugeben scheint, werden auch die Expresszüge nach Siena von den inzwischen mehr als 30 Jahre alten Maschinen der Reihe D445 gezogen. Dabei wird bis Empoli die elektrifizierte Strecke nach Livorno genutzt und dann auf die teils eingleisig, teils zweigleisige Strecke durch das Zentrum der Toskana eingeschwenkt. Die grobe Ausrichtung nach Süden und die Stellung der Lok am Südende versprachen einige Möglichkeiten für Fotos. Aber natürlich blieb die Fotoausbeute durch verschiedene Ausflüge nicht nur auf diese Strecke begrenzt.

Donnerstag, 29.03.18

Um die 1200 km Gesamtstrecke nicht in einem Rutsch durchzufahren, sollte eine Zwischenübernachtung eingelegt werden und manchmal ist es doch von Nutzen, dass sich Freunde nach Abschluss der Schule oder des Studiums in alle Himmelsregionen verstreuen. Von München aus ist die Distanz jedenfalls überschaubar. Zudem bietet sich im Netz der Münchner S-Bahn noch die Gelegenheit Triebzüge der Baureihe 420 zu fotografieren. Wie gut, dass in einer der aktuellen Drehscheibe-Ausgaben der Umlauf abgedruckt war. Wochentags sollte ein Umlauf auf der erst vor ein paar Jahren elektrifizierten „Lokalbahn“ zwischen Dachau und Altomünster verkehren. So wurde vor dem Erreichen des Etappenziels noch ein kleiner Stopp bei Kleinberghofen eingelegt. Ein 420er war es zwar nicht, aber mit 423 717 immerhin ein „Werbetriebzug“. Sogar die Sonne lugte ein wenig durch die doch recht dichten und dunklen Wolken hervor.


Für ein immergrünes Gartenparadies im Herzen Münchens wirbt 423 717 und hat als S 8972 nur noch wenige Meter bis zum Ziel Altomünster vor sich

Samstag, 31.03.18

Der Tag begann wolkenverhangen und auch etwas Regen lag in der Luft. Und wie kann man einen regnerischen Tag besser verbringen als im Museum. So wurde dem Leonardomuseum in Vinci ein Besuch abgestattet. Hier wird weniger Wert auf das künstlerische Werk des Renaissancegelehrten gelegt, vielmehr werden seine technischen und naturwissenschaftlichen Errungenschaften hervorgehoben. Für mich als Ingenieur also die richtigen Prioritäten. Danach wurde der im Elsatal gelegene Ort Certaldo aufgesucht, Sterbeort des Schriftstellers Giovanni Boccaccio, dessen Hauptwerk „Decamerone“ als Meilenstein der Literaturgeschichte gilt und desseen Erzählweise und -struktur sich viele spätere Literaten zum Vorbild nahmen. Desweiteren besitzt die 16.000 Einwohner Stadt ein historisches Zentrum auf einem Hügel oberhalb des erst später errichteten Hauptortes. Und jetzt bekomme ich auch wieder den Bogen zur Schiene, denn zum mittelalterlichen Certaldo Alto führt direkt aus einem Gebäude des Marktes, sinnigerweise Piazza Boccaccio benannt, eine Standseilbahn hinauf. Diese wurde selbstverständlich zur Überwindung des Höhenunterschieds genutzt.


Man könnte eigentlich auch hoch laufen, aber faule Touristenfüße und der Eisenbahnliebhaber freuen sich über die Standseilbahn hinauf nach Certaldo Alto

Neben diesen wenigen Meter Schienen gibt es in Certaldo aber auch noch einen richtigen Bahnhof an der schon erwähnten Strecke zwischen Empoli und Siena, welche 1849 eröffnet wurde und damit zu den ältesten italienischen Eisenbahnlinien gehört. Werktags kann man hier zumeist vier Zugfahrten pro Stunde beobachten. Neben den im Stundentakt verkehrenden Expresszügen Florenz-Siena verkehren Regionalzüge mit Halt an allen Unterwegsstationen zwischen Empoli und Siena. Lediglich zur Mittagszeit wird dieser Takt ein wenig ausgedünnt. Bevor es zur Altstadt „hochging“, wurde noch kurz am Bahnhof für ein Foto von D445 1112 gestoppt. Leider fiel eine bei älteren Fotos von diesem Ort bildbereichernde und für die Region so charakteristische Pinie inzwischen wohl der Säge zum Opfer. Das Wetter hatte sich inzwischen verbessert, aber ein größeres sonnenbeschienenes Gebiet erreichte den Zug leider nicht.


An einem gepflegten Empfangsgebäude kommt D445 1112 mit R 11769 nach Siena zum Stehen

Ostersonntag, 01.04.18

Am Vormittag erreichte uns von Verwandten, die sich über Ostern zur Ostsee begaben, Bilder mit ca. 15 cm Neuschnee. Erst ein Blick in den deutschen Wetterbericht zeigte, dass es sich doch nicht um einen Aprilscherz handelte. Die innere Überzeugung den Urlaubsort richtig gewählt zu haben stieg, denn unser Ziel lag an der Mittelmeerküste der Toskana und dort waren bereits am Vormittag 18°C zu verzeichnen, wenn auch begleitet von einem frischen Seewind. Nach einem ausgiebigen Spaziergang durch San Vincenzo, wo der Bahnhof ausschließlich zur Versorgung mit Panini aufgesucht wurde, ging es noch ein paar Kilometer südlich in die Nähe von Piombino an den Strand. Von hier aus kann per Fähre die Insel Elba, größte Insel des toskanischen Archipels, erreicht werden. Elba, die drittgrößte italienische Insel, ist vor allem allen durch das kurzzeitige Exil Napoleons ein Begriff.


Aus dem Mittelmeerdunst erhebt sich von San Vincenzo aus gesehen die Insel Elba mit ihren bis zu 1019 Meter hohen Gipfeln

Der toskanische Archipel bildet zudem in etwa den Trennungspunkt zwischen ligurischem und tyrrhenischem Meer, entlang beider Küsten verläuft die Kursbuchstrecke 33 von Pisa nach Rom. Während der Rest der Familie den Strandvergnügen frönte, konnte ich kurz mal den Verkehr an der Strecke am Haltepunkt Vignale-Riotorto beobachten, welcher lediglich zu den Hauptverkehrszeiten bedient wird. Nicht lange warten musste ich bis ein Zug am Horizont der hier schier endlos erscheinenden Gerade auftauchte.


Omnipräsent auf elektrifizierten Strecken in Italien sind die technisch mit der deutschen Baureihe 101 verwandten „Monocabina“ E464, die Fünfhundertsiebzehnte hat RV 2341 von Pisa nach Rom am Haken und durcheilt Vignale-Riotorto

Nicht weit vom Haltepunkt entfernt quert die Landstraße die Strecke, auch von hier müsste sich etwas ergeben. Und tatsächlich fand sich hier nahe dem echten Meer ein wahres Blütenmeer vor. So ein Gros an Farben war man aus mittelsächsischen Gefilden nicht gewöhnt und im Nachhinein hätte man schon zum vorigen Zug hier aufschlagen sollen, denn übermäßig dicht war der Verkehr zum Feiertag gar nicht. Lediglich zwei Züge standen hier an. Der erste, IC 1511 von Turin fährt beinahe die gesamte Westküste Italiens ab. Danach folgte noch ein Nachschuss auf Frecciabianca 8670, der Rom mit Mailand verbindet. Beide Fernzüge halten übrigens im nahegelegenen Campiglia Marittima, wo es zwar keinen nennenswerten Siedlungen gibt, aber die Stichstrecke ins bereits erwähnte Piombino abzweigt.


Mit der Zuordnung der einzelnen Blüten kann ich nicht aufwarten - eine E402 zieht IC 1511 nach Salerno bei Vignale-Riotorto nicht weit vom Meer entfernt nach Süden

Selbstverständlich hätte man sich hier noch viel länger aufhalten können, aber ein Punkt stand noch auf der ToDo-Liste. Vom Strand bei Piombino ging es nun wieder landeinwärts. Dass bislang noch kein Wort vom Wetter war lag daran, dass die Küstengebiete von Wolkenbildung verschont blieben. Im hügeligen Kernland der Toskana sah das aber ganz anders aus. Dennoch wurde gewagt in Richtung Siena aufzubrechen, hier sollte ein, für mich, Schlüsselmotiv der Toskana umgesetzt werden. Genau genommen handelt es sich um die Strecke von Siena nach Grosseto. Bei Ponte d’Arbia existiert ein Ausblick, der beinahe alles Toskana-typische mit Eisenbahn vereint. Während der Fahrt war es auch willkommen zu beobachten, dass sich die Wolken mehr und mehr auflösten bzw. weiter ins Landesinnere zurückzogen. Allerdings wurde es durch die verschlungenen Wege und die Fahrweise einiger italienischer Sonntagsfahrer etwas knapp das Motiv rechtzeitig zu erreichen. Da die Strecke Siena-Grosseto nur unregelmäßigen Verkehr aufweist, blieb zunächst nur ein Zug. Dieser klappte am Hauptmotiv und auch bei einem Nachschuss recht erfolgreich, wenngleich der „Feldherrenhügel“ unzählige Variationen bietet und man hier wahrscheinlich nie genug Züge haben kann. Vor einigen Jahren verkehrten auch hier noch lokbespannte Züge, welche danach durch Triebwagen des Typs Aln 668 bzw. 663 ersetzt wurden. Diese wiederum werden zunehmend durch neubeschaffte Triebwagen von PESA ersetzt. Der dreiteilige ATR 220 stellt in etwa das Pendant zum LINT dar und kann durchaus von der Form her als gelungen bezeichnet werden. Leider erfolgt in Italien derzeit ein allgemeiner Designwechsel von dem in den neunziger Jahren eingeführten XMPR-Schema zu einem silbergrauen Grundton mit schwarzem Fensterband, blauer Dachlinie und limonengrünen Türen, welcher aufgrund seiner niedrigen Albedo weniger für die Fotografie taugt.


Sanfte, grüne Hügel, Zypressen, Pinien, Landhäuser in italienischer Bauweise - typsiche Toskanaelemente lassen sich bei Ponte d’Arbia zusammen mit einem ATR 220 als R 21386 von Grosseto nach Siena festhalten

Nun folgte ein Regionalzug in die Gegenrichtung. Dieser wurde ein paar Meter weiter in Richtung Siena unweit Monteroni d’Arbia von einem Hügel mit einem wunderbaren Blick über die Toskana festgehalten. Zu meiner Freude sogar war dieser Zug sogar aus einem Aln 663 gebildet.


Ganz hervorragend kann man von einem Hügel zwischen Monteroni d’Arbia und Ponte d’Arbia den kleinen Triebwagen bei seiner Fahrt als R 21389 nach Grosseto durch das Arbia-Tal beobachten

Nun sollte es das für diesen Tag gewesen sein und es ging durch eine wunderschön vom Abendlicht beleuchtete Toskanalandschaft wieder ins Feriendomizil.


Ostermontag, 02.04.18

Die Wettervorhersage sagte für diesen Tag viele Sonnenstunden voraus, aber am frühen Morgen war die Toskana noch wolkenverhangen. In der Hoffnung auf baldige Auflockerung wurde sich nicht allzu spät zur Strecke Empoli-Siena begeben. Bei Lecchi, zwischen den Stationen Poggibonsi und Castellina gelegen, entdeckte ich auf dem Satellitenbild eine Brücke. Die noch geschlossene Wolkendecke ließ eine stressfreie Erkundung des Motivs zu. Die Brücke wurde nicht grundlos avisiert, finden sich doch rechts und links der Strecke meist dichte Büsche und Sträucher. Büsche und Sträucher wuchsen zwar nicht auf der Brücke, aber ein paar Bäume blockieren die ungehinderte Sicht auf das gemauerte Viadukt. Da die Bäume noch kein Laub trugen, konnte das aber in Kauf genommen werden. Während der ganzen Motivguckerei wärmten auch immer mehr Sonnenstrahlen mein Haupt. Der zunächst aus Siena kommende geschobene Zug klappte denn auch bestens bei Sonne und auch der nicht weit danach folgende Express aus Florenz konnte bei vollstem Sonnenschein verewigt werden.


Frühling in der Toskana - R 11755 überquert auf dem Weg nach Siena das Viadukt bei Lecchi

Danach ging es wieder nördlich nach Certaldo, dabei entdeckte ich das ein oder andere potentielle Top-Motiv, wenn, ja wenn nicht der starke Bewuchs vorliegen würde. Dass aber ein Motiv nach der südlichen Bahnhofsausfahrt für den 10:00 Uhr Zug geht, das wusste ich vom Besuch zwei Tage zuvor. Und sämtliche Wolken waren nun auch verschwunden Nun vereitelte aber der Feiertag weitere Eisenbahnbilder. Die nächsten zwei Stunden fuhren erstmal gar keine Züge. Leicht frustrierend, aber auch Gelegenheit für eine Wanderung durch die Olivenhaine.


Oliven und Wein, für dolce vita ist alles bereitet

Das Bild zeigt, es entstanden mehr und mehr Schönwetterwolken, werktags kein Problem, aber zum Feiertag bleibt das Zugangebot auch am Nachmittag ausgedünnt. Dennoch wurde es mal an den zwei schon vor der Reise durch Internetrecherche bekannten Motiven bei Castelfiorentino probiert. Hier führen einige Brücken über die Strecke und ermöglichen es so, dem Bewuchs zu entkommen. Eine Brücke südlich des Bahnhofs bietet einen schönen Kurvenblick und auf das Ortsbild der toskanischen Kleinstadt. Da kein lokbespannter Zug eingelegt war, wurde sich für den Regionalzug von Empoli postiert. Diese Leistungen können entweder von den schon erwähnten neuen ATR 220 oder von Minuetto-Triebwagen der Baureihe Aln 501 erbracht werden. Letztere befinden sich derzeit auch in der Umlackierung und es war spannend, ob eine im XMPR-Schema gehaltene oder eine silbergraue Garnitur daherkommt. Ebenso spannend blieb die Wolkensituation. Zur Planzeit war alles dunkel, aber die geringe Verspätung ermöglichte es den Wolken das Sonnenlicht freizugeben.


Die Bummelzüge zwischen Empoli und Siena waren eine spannende Angelegenheit, zwei Baureihen, zwei Lackierungen. Ale 501 098 besitzt noch das XMPR-Schema und verlässt als R 23471 Castelfiorentino

Nun hatte ich eigentlich darauf gehofft, dass sich die Wolken zum späten Nachmittag hin auflösen, aber leider verdichteten sie sich mehr und zudem kamen noch ausgedehnte Schleierfelder hinzu. Auch nicht schlecht, so konnte sich mehr der Landschaft und dem Essen gewidmet werden.


Zum Abend zogen nochmal dunkle Wolken auf und sorgten für stimmungsvolle Aufnahmen in den Olivenhainen

Weiteres folgt. Danke für die Aufmerksamkeit!
björn