Hallo zusammen,

redensartlich sind die „böhmischen Dörfer“ bekanntlich ganz allgemein ein wie auch immer gearteter Bereich, auf welchem man keine Erfahrung oder schlicht keine Ahnung oder von dem man nichts versteht.
Die Redensart soll von den für unsereins teils schwierig auszusprechenden Ortsnamen der Städte und Dörfer sowie allgemein der tschechischen Sprache herrühren.
In den Monaten September und Oktober diesen Jahres habe ich mir wieder einige böhmische Dörfer in natura angeschaut, Schwerpunkt lag dabei natürlich auf den schienengebundenen Verkehrsmitteln.
Beginnend mal wieder im Zwodautal an der FaK-Linie:
Die Strecke Falkenau – (Unter-) Graslitz wurde 1876 von der Buschtěhrader Eisenbahn eröffnet und zum Weiterbau nach Klingenthal in Sachsen vorgesehen.
Da der Standort des Grenzbahnhofes noch nicht geklärt werden konnte, war die heutige Station Kraslice předměstí zunächst Endpunkt.
Nach der Einigung auf die Errichtung des Grenzbahnhofes in Klingenthal konnte die Strecke Falkenau - Klingenthal grenzüberschreitend fertiggestellt und zum 01. Oktober 1886 in Betrieb genommen werden.
Auf etwa der Hälfte der Strecke, am Kilometer 13,5 FaK wartete ich am Mittwoch, 20. September 2023, auf 810 623 als Os17034. Im Bereich Olovi finden sich doch immer wieder noch nicht umgesetzte Blickwinkel...




Ich bleibe noch ein Bild lang im Zwodautal, wenngleich die richtige zeitliche Abfolge der Aufnahmen dadurch durcheinandergerät.
Für ein Bild des gleichen Zweiachsers auf der identischen Leistung wie oben postierte ich mich am Mittwoch, 11. Oktober 2023, im nach dem entsprechenden Gewässer benannten Svatava (Zwodau).
Der Bahnhof hieß einst Zwodau-Davisthal und liegt im entsprechenden Ortsteil Davidov der Minderstadt.




Am Donnerstag, 21. September 2023, führte es mich abermals nach Kynšperk nad Ohří (Königsberg an der Eger).
An der etwa 800-jährigen Stadt führt seit 1870 die Strecke von Karlsbad nach Eger als Teil der Verbindung von Prag nach Eger nördlich vorbei.
Auch diese Linie wurde durch die Buschtěhrader Eisenbahn erbaut und bis zu deren Verstaatlichung 1923 betrieben.
Das mustergültig restaurierte Empfangsgebäude war mir ein Bild wert, wenn die Parkflächen davor schon mal verwaist sind:




Der Standort bietet sich für Aufnahmen bis nach dem Mittag an und ist äußerst bequem:
Bahnübergänge auf beiden Seiten des Bahnhofes kündigen durch ihr Läuten Züge frühzeitig und v.a. auch im schattigen Rückzugsort deutlich hörbar an.
Neben den Reisezügen rollte etwas Güterverkehr und einige Mess- sowie Überführungsfahrten durch den Bahnhof,
stellvertretend das herausragende Highlight aus 230 091 und 230 061 mit der Kohle nach Plzen.




Zwei Tage später startete ich noch einmal einen Versuch für den erst kurz zuvor misslungenen Fahrradzug Sp1678 "CYKLO OHŘE" Karlovy Vary – Cheb.
Eine Woche zuvor wurde mir an gleicher Stelle ein Sonnenbild verwehrt.
An diesem Sonnabend, 23. September 2023, als 242 253 ihre fünf Wagen aus dem Bahnhof beschleunigte, passte alles.




Unternehmen wir einen Sprung in den Ascher Zipfel zum Roßbacher Mockel.
Die 1885 eröffnete Lokalbahn von Aš (Asch) über Hranice u Aše (Roßbach) führte zwischen 1906 und 1945 bis ins obere Vogtland nach Adorf.
Mittlerweile beschränkt sich das Verkehrsangebot bekanntlich auf zweistündliche Verbindungen zwischen Haupt- und Stadtbahnhof von Asch, lediglich ein Zugpaar pro Tag (2 an Sommerwochenenden) befährt die Gesamtstrecke der Reste des einstigen „Mockels“ bis Roßbach.
Der Dienstag, 26. September 2023, war ein herrlicher wolkenloser Spätsommertag, dessen Abschluss der erste und letzte Zug des Tages nach Asch, Os17223 Hranice v Čechách - Aš, darstellte.
810 666 fährt gleich mangels zu- oder aussteigewilligen Beförderungsfällen durch den Bedarfshalt Podhradí.
Dieser Haltepunkt befindet sich nicht nur weit weg von der namensgebenden Gemeinde Podhradí (Neuberg), sondern sogar auf Flur des Ortsteils Kamenná (Steinpöhl) der Gemeinde Krásná (Shönbach bei Asch).




Kurze Anekdote zum Bild:
In den zwanzig Minuten, die ich vorm Zug vor Ort war, drehte der Bauer mit seinem Traktor seine Runden mähenderweise über die Wiese links von mir. Er war dann irgendwann weg – und tauchte zwei Minuten vor der Durchfahrt der Büchse auf dem Weg zur Wiese hinter dem Gleis, also exakt vor mir, auf, nur um seinen Trekker äußerst unfotogen mitten ins Bild zu stellen (ich unterstelle ihm aber keine Absicht oder gar Böswilligkeit ;)
Irgendwas wollte aber nicht so recht funktionieren, sodass der Traktorist sein Gefährt für einen Kontrollblick doch nochmal eine Länge zurückfahren musste, genau in dem Moment, in dem der Os mit +2 endlich angeschlichen kam.

Um thematisch in der Region zu bleiben, sprenge ich noch einmal die chronologische Ordnung der Bilder.
Das folgende Bild entstand am Sonnabend, 30. September 2023, und zeigt die vorhergende Leistung zur Zugfahrt im Bild oben.
810 548 fährt als Os17222 aus Aš kommend in Aš město ein und setzt nach Ausstieg aller Fahrgäste und der Zugbegleiterin seine Fahrt nach Hranice fort.




Weiter geht’s mit dem nächsten nur sehr spärlich bedienten Streckenstummel, nämlich dem Abschnitt Loket (Elbogen) – Loket předměstí (Elbogen Vorstadt) der einst durchgehenden Verbindung von Nové Sedlo u Lokte (Neusattl, an der Hauptstrecke Cheb – Chomutov) – Krásný Jez (Schönwehr, an der Nebenbahn Karlovy Vary dolní nádraží - Mariánské Lázně).
Der Abschnitt vom Elbogener Vorstadtbahnhof bis Horní Slavkov-Kounice (einst Ležnice / deutsch: Leßnitz) und damit der überwiegende Teil der 18 Kilometer messenden Linie ist seit 1997 ohne Verkehr.
Auch der knappe Kilometer im Stadtgebiet Loket erfreut sich nur ganzer vier Zugpaare, von denen drei Viertel lediglich werktäglich verkehren.
Einer davon ist Os27150 Nové Sedlo u Lokte - Loket předměstí, welchen ich am Mittwoch, 27. September 2023, in Form von 810 566 vor der Kulisse der Egerquerung sowie des Schwarzen Turmes, einem Verteidigungsbauwerk der benachbarten Burg Elbogen, ablichten konnte.




Heimwärts noch gebremst im Bahof von Citice (Zieditz), einem böhmischen Dorf mit nicht mal 1.000 Einwohnern an der das Egertal durchmessenden elektrifizierten zweigleisigen Hauptbahn, für den spätnachmittäglichen R610 Praha hl.n. - Cheb.
Weiße Vectrons sind zwar net so das wirklich Interessante für mich, aber da das Licht gerade so schön war....
193 698 war zumindest nicht reinweg schneeweiß und stellte daher mit ihrer sauberen, fünfteiligen InterJet-Garnitur im durchgehenden Hauptgleis der Gegenrichtung einen zufriedenstellenden Tagesabschluss dar.




Der folgende Donnerstag, 28. September, war Feiertag in Tschechien und begann, wie der vorhergende Tag aufhörte, im Egertal, wo ich aber wieder von dichtem Nebel begrüßt wurde.
Also liegt es nahe, die Waschküche hinter sich zu lassen und sich in höhere Lagen zu begeben. Konkret wollte ich mich etwas im Kaiserwald rumtreiben und der oben erwähnten Nebenbahn Karlsbad unterer Bahnhof – Marienbad einen Besuch abstatten.
Auf dieser im Jahr 1898 eröffneten Strecke wird der überwiegende Teil des täglichen Reisezugverkehrs seit 2006 vom privaten Betreiber Viamont bzw. deren mittlerweile in GW Train umbenannten Regionalverkehrs-Ableger durchgeführt.
Von Anfang an setzte dieses Unternehmen RegioSprinter vom Hersteller Siemens / Duewag / Waggonbau Bautzen ein; anfangs mietete man Fahrzeuge bei der Vogtlandbahn, mittlerweile gehören die einstigen VT45 – 48 dem tschechischen Unternehmen und bewältigen den Verkehr auf der 53 Kilometer langen Direktverbindung zwischen den beiden größten Kurorten im böhmischen Bäderdreieck.
(Der Vollständigkeit halber darf die Episode der Eigenkonstruktion BR 813, von der ich aber selber keine Aufnahmen vorweisen kann, in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben.)

Strecke und Region waren mir gänzlich unbekannt, böhmische Dörfer also im wahrsten Sinn und so begann ich in der Stadt Teplá (Tepl) bzw. ganz klassisch am dortigen Bahnhof.
In ihrer mehr als 800-jährigen Geschichte ist die Stadt Tepl mehrfach abgebrannt, verseucht oder geplündert worden. Wie ein Stehaufmännchen trotzten die Stadt und das benachbarte Stift Tepl den Unbilden der Geschichte auf etwa 700 Metern Höhe über dem Meer.
Von der Bahnhofsstraße bietet sich ein schöner Blick auf den Stadtkern mit der dominierenden Dekanalkirche des Heiligen Ägidius aus dem 18. (Bau) und 19. (Fertigstellung) Jahrhundert.




GW Train bedient die KBS 149 im zweistündlichen Taktverkehr; dadurch und da bei meinen Besuchen der Abschnitt Bečov nad Teplou (Petschau an der Tepl) - Karlovy Vary dolní nádraží baustellenbedingt gesperrt war, gab es hier nach dem wohl bekanntesten Motiv des Stadtblickes Teplá erstmal nichts mehr zu holen.
Um die Zeit bis zur nächsten Sprinter-Leistung also irgendwie sinnvoll überbrücken zu können, machte ich einen Abstecher ins nicht weit entfernte Mariánské Lázně.
Das erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts sowohl als Ort, als auch als Kurbad gegründete Marienbad wird nicht nur durch heilsame Quellen, die sanierte Bäderarchitektur, sondern auch durch ein im 21. Jahrhundert in unseren Breiten selten gewordenes Trolley- bzw. Oberleitungsbusnetz interessant.
Ich war aber hauptsächlich vor Ort, um mal zu schauen, ob auf der Strecke Pilsen – Eger ETCS tatsächlich in Betrieb ist.
Für den Bahnhof Cheb ist dies in La und Grenzbetriebsvereinbarung zumindest vermerkt.
Nun ja, in den Bahnhofsgleisen Marienbad liegen an und kurz vor den weiterhin vorhandenen Ausfahrsignalen zumindest Balisen, sodass es sich dann wohl um Level 2 mit Signalen handeln dürfte?
Konnte dazu bisher noch nichts eindeutiges finden...

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Egal, nach der Abfahrt eines Schnellzuges nach Prag kam von Eger her ein Güterzug eingefahren, eine 363 mit Innofreight-Containern.
Dieser fuhr auf'm Rand auf Halt.
Der ausgehängte Fahrplan drohte die baldige Ankunft des IC512 aus Richtung Prag nach Franzensbad an.
Der Güterverkehr wird also wegen Eingleisigkeit der Strecke erst nach Ankunft des Schnellen seine Fahrt nach Süden fortsetzen können.
Ich habe dann meinen ursprünglichen Plan verworfen und die Trolleybusse fahren lassen und mich lieber der vermeintlichen Kohle gewidmet.
Am Ortsausgang des Badeortes fand ich diese Stelle, sah mit den Heuballen ganz nett aus für 363 233 mit dem vermeintlichen Pn66503 Nové Sedlo u Lokte – Plzeň.




Nach diesem Zufallstreffer fuhr ich zurück auf die Höhen des Kaiserwaldes, schließlich sollte noch ein RVT vor dem Bahnhofsgebäude in Teplá dran glauben.
Gedacht, getan, 818 245 (ex VT45 / 654 045) beim dreiminütigen Halt als Os7107 Bečov nad Teplou - Mariánské Lázně.




Es lohnt sich auch ein weiterer Blick links und rechtes des Gleises, bietet doch die herbstliche Natur ihre Früchte feil...







Eine gefühlte Ewigkeit später hatte ich am Montag, 23. Oktober 2023, endlich wieder einmal Zeit und Gelegenheit für einen weiteren Ausflug in den Kaiserwald. Teplá hatte es mir irgendwie angetan und mittlerweile begann die Natur auch, sich in herbstliche Farben zu kleiden.
Etwas unterhalb von Teplá befindet sich noch auf dessen erweitertem Stadtgebiet die Station Poutnov (Einsiedl-Pauten). Deren Empfangsgebäude weiß durch eingeschlagene Scheiben und großflächige Graffiti besonders unfotogen zu sein, allerdings befindet sich in direkter Nachbarschaft die Pension Stadler, welche unter Berücksichtigung der deutschsprachigen Vergangenheit saniert wurde und einladend wirkt.




An der Straße dieser Wegweiser ins einstige Pfaffengrün, musste ich lachen:




Schließlich dann noch das Stadtpanorama Teplá.
Es war wieder der ehemalige VT45 im Einsatz.
Der RegioSprinter Baujahr 1997 hat den Bahnhof Teplá hinter sich gelassen und verlässt die Stadt auf seiner Fahrt als Os7105 Bečov nad Teplou - Mariánské Lázně in einem langgezogenen Rechtsbogen.
Die herbstlichere Variante gefällt mir besser als die oben erwähnte, deshalb zeige ich hier eben diese:





mfg Kevin

Danke für den schönen Bildbericht...

Statt Popovice könnte ich Tittentasterstraße anbieten. Gibt es tatsächlich in Wismar.

Und statt .... Dörfer kenne ich nur 'Böhmische Wälder'. Aber meine Mutter kamaus Oberschlesien. Da mag das anders sein.

Sehr schöne Fotos aus einer schönen Gegend. Danke fürs zeigen und auch etwas über die Gegend zu berichten.
Bin vor Jahren mal von Karlsbad nach Tepl mit dem Zug gefahren, Kirche und Kloster besichtigt und gegenüber der Kirche preiswert und gut gegessen.
Auch das Schloss in Petschau mit einem Goldenen Schrein besucht, sehr sehnswert.

Und das findet man als Erklärung für "böhmische Dörfer":

"Diese Redensart bezieht sich auf die Zeit der Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Die slawischen Namen der Dörfer in Böhmen klangen für deutsche Personen auf der Durchreise fremd und sinnlos. Daher sagt man dies auch noch heute, wenn man etwas nicht versteht."