...waren, wenn auch nur kurz, mal wieder Elbtalumleiter übers Vogtland angesagt. Seit 2011 elektrisierte mich dieses Thema regelmäßig, war es doch ein sicheres Indiz für verkehrende Güterzüge mit 232 auf der wohl schönsten Strecke des Vogtlandes.
Die Fahrzeiten waren auch relativ schnell bekannt. Damals wurde diese hier noch öfters veröffentlicht, denn WhatsApp im flächendeckenden Stil wie heute gab es noch nicht. Da konnte man noch unbehelligt einen Furz lassen, ohne das dies 10min später
auch in Peking bekannt war. Jedenfalls sollte der erste Zug bereits am frühen Morgen in Bad Brambach sein. In meinem, man kann schon fast sagen, jugendlichen Leichtsinn, setzte ich mir aber in den Kopf, diesen Zug unbedingt erwischen zu wollen. Von Freund MSV sah ich im Vorjahr ein Bild zweier 232er vor einem langen gemischten Güterzug am "Kanadablick" vor Raun. Der sollte es unbedingt sein. Nur wie komm ich dahin am frühen Morgen? Auto hatte ich damals noch keins, den Führerschein begann ich erst einige Wochen später. Schließlich hatte ich die Kasse vom 18.Geburtstag inklusive aller Ersparnisse aus Ferienarbeit usw. kräftig in die Finazierung der Fotoausrüstung investiert. Man dürfte sich ausmalen können, das dies elterlicherseits damals auf wenig Gegenliebe gestoßen war. Es half alles nichts, eine Anreise am Vortag war notwendig und die Nacht bekomm ich schon rum. Ich hatte bereits ähnliche Erfahrungen in Schönberg für den EZ 51683 aus Zwickau nach Nürnberg gemacht. Dies war zu diesem Zeitpunkt erst wenige Wochen her.

Der Bahnverkehr von Zwotental hinunter nach Adorf war seit einigen Monaten bereits eingestellt, der Bus Klingenthal-Adorf-Bad Brambach hielt als Ersatz her. Als nahezu einziger Fahrgast kam ich auch mit dem Busfahrer am Abend schnell ins Gespräch und der konnte garnicht glauben, was ich da vorhatte. Gesagt, getan und in Raun verlies ich den Bus. Es muss so ca. 21 Uhr gewesen sein. Beim Fdl in Raun brannte noch Licht und ich entschied, ihn kurz zu besuchen. Die Tür öffnete damals ein schon älterer Herr aus Netzschkau, dessen Name mir aber entfallen ist. Er zeigte mir in Ruhe seinen "Ruheposten", denn allzu aufregendes passiert hier gefühlt nur bei der Dienstpostenbesichtigung oder zum Feierabend. Auch ihm war mein Vorhaben nichtso begreiflich zu machen, wer weiß ob der Zug überhaupt auftaucht? Das Telegramm war jedenfalls schon da, KT 95511 sollte die Eisenbahn heißen. Irgendwann aber fuhr auch die letzte Vogtlandbahn dahin und der Posten Raun verabschiedete sich gen Heimat. Mit ihm verlies auch ich die Örtlichkeit und lief wieder hinunter ins Dorf. Dies lag friedlich unterhalb des klaren Abendhimmels und wurde langsam immer mehr in Dunkelheit gehüllt. Als Schlafplatz hatte ich mir die alte verfallene Wartehütte an der T-Kreuzung unweit des Ortseinganges ausgesucht. Bereits in Schönberg hatte ich am Bahnhof zweimals in einer solchen Einrichtung übernachtet. Dort war die Hütte aber wenigstens aus Beton, während hier alte vermorschte, kantige Bretter vohanden waren. Eine klapprige Holzbank im Inneren zog ich mir an die Wand und bezog so mein Bettquartier. Im Gegensatz zu Schönberg war es hier ruihig für viele Kilometer, denn im Sommer 2013 hatte man Eile, die Elektrifizierung bis Hof planmäßig fertig zu stellen. Eine Railsystems V60 rückte am Abend mit der Ramme aus der Abstellung im Bahnhof aus und klopfte neue Fundamente für die Fahrleitungsmasten in die Erde. Die ganze Nacht lag ein tiefes und donnernden "Dong! Dong! Dong!" in der Luft. Viel Schlaf bekam ich hier nicht ab, aber das störte mich damals (noch) nicht.

In Raun dagegen hätte man die Stecknadel fallen hören können, wenn den eine gefallen wäre. Trotz der Ruhe war es ungemütlich! Der Fotorucksack samt angeknotetem Stativ und Videokamera boten zwar eine Art Ersatzkissen, aber so richtig schlafen konnte ich nicht. Wie ich diese Nach herumbekam weiß ich nicht mehr genau. Jedenfalls war ich mehrmals aufgewacht, um kurz wieder einzuschlafen. Irgendwie war es bereits früher Morgen und es begann langsam hell zu werden. Ich suchte meine Ausrüstung zusammen, stellte den Unsprungszustand im Buswartehäuschen wieder her und lief bergauf am Fahrdienstleiter vorbei. Da war noch immer kein neuer Kollege aufgetaucht. Dieser Umstand sollte sich später noch erklären. Von dort aus ging es hinein in den Wald ans Blocksignal der Überleitstelle. Ich suchte und fand meine Position, baute Stativ und Videokamera auf und versuchte verzweifelt, den Baum zu finden, den unser MSV mal bestiegen hatte. Richtig fündig wurde ich aber nicht und Zeit auch nicht. Ein starkes Grollen drang immer lauter des Tal hinauf. Bestimmt 10min konnte man es hören, so klar war die Stille des Morgens. In aller Eile hatte ich wohl den gesuchten oder einen ähnlichen Baum gefunden, der noch vom Morgentau triefte und so die ersten dreckigen Klamotten des Tages bescherte.
Also wieder runter vom Baum, Videokamera einschalten und wieder hoch. Soweit hoch wie ich wollte, kam ich aber nicht mehr, denn 232 587 und 232 668 waren bereits mit ihrem Containerzug auf straffer Bergfahrt:



Mit dem Ergebnis erstmal zufrieden, stampfte ich, nachdem ich meine Ausrüstung wieder zusammengesucht hatte, zurück zum Haltepunkt. Mit der nächsten Vogtlandbahn fuhr ich hinauf nach Bad Brambach und leider nicht weiter. Der nächste Zug nach Vojtanov kommt erst in über einer Stunde. Solange wollte ich nicht warten, denn schließlich wollte ich ja nach der Gegenleistung Ausschau halten. Also lief ich vom Bahnhof hinunter zur Hauptstraße, die mir als Kind gut in Erinnerung blieb. Ich möchte nicht wissen, wieviele Stunden wir auf dieser Straße hatten warten müssen, ehe es über die Grenze gehen konnte. Danach den Berg hinauf zum Ortsausgang, wo ein kleiner Hund vom Nachbarhaus sein Herrchen so stark verteidigen wollte, das er mir folgte und mir schließlich von hinten in die Hose etwas oberhalb meines linken Fußes biss. Wohl stolz über seinen Erfolg, rannte er schleunigst wieder retour den Berg hinab. Danach ging es für mich auf die Umgehungsstraße von Bad Brambach, welche ja seit 2001 den Schwerlastverkehr um den Ort herum leitet. Über die Höhe, wo es zum Kapellenberg geht bzw nach Hohenberg/Bärendorf, gelang ich hinunter nach Schönberg. Kurz vor dem Grenzübergang nutzte ich die Abkürzung über die Wiese hinunter zum Posten 50, ab dort ging es dem Gleis entlang.
Sehr zu meiner Verwunderung entdeckte ich am nördlichen Bahnhofsende einige Containertragwagen, auf denen ein Zugschluss steckte. Sollte denn der Zug nach den vielen Stunden immer noch hier sein?
Quer über den Bahnhof, immer am Zug entlang, kam ich schließlich vorne an den Loks an. Anklopfen musste ich nicht, das Fenster der ersten Lok war offen. So ging ich etwas auf Abstand und fragte höflich:

"Wann gehts denn weiter?"
"Tja, des wisst iech fei ah gern!"

Kurz darauf erhob sich vom Beimannsitz eine weitere Gestalt, dem meine Stimme wohl bekannt vorkam. Unser Tino, br233 (oder damals auch noch der weiße Hund genannt), hatte mich erspäht. Er stieg kurz ab und verriet, das er den Zug am frühen Morgen nur wenige Kilometer hinter mir bei Oberbrambach gemacht hatte, aber wenig zufrieden war. Gemeinsam gingen wir wieder hoch auf den Führerstand, den ich zum ersten Mal überhaupt zu Gesicht bekam. Der Tf-Kollege stellte sich als Frank Heckel vor, er war früher in Falkenstein schon Lokführer und kam sozusagen "fo daun rei". Jetzt ist er in Zwickau und kennt logischerweise auch alle Kollegen, die ich noch kennenlernen durfte: Günter Wengorz (bereits seit einigen Tagen in Rente), Herbert Uhl (vier Wochen vorher in Rente) und Wolfgang Martin (noch aktiv bei agilis damals).

"Nu der is ja ah mit dor Eisenbahn verheiert!" sagte er etwas schmunzelnd zu mir. Dann verriert er mir, das der Grund seines Wartens der Lotse von CZ sei, denn sein Zug würde bis Cheb mit den zwei Russen weiterlaufen. Ebenso hatte DB Netz für seinen Zug einen Fahrplan nach Vojtanov erstellt, der weder plausibel noch einzuhalten war, denn zu seiner geplanten Durchfahrtszeit war der Fdl Raun noch garnicht besetzt. Dies erklärte auch, warum ich am frühen Morgen beim Fdl Raun niemanden entdeckt habe. Und jetzt war auch immer noch kein Lotse da. Es dauerte vor Ort ganze fünf Stunden, bis endlich der Lotse mit einer Vogtlandbahn von Cheb nach Zwickau angefahren kam, um den Zug zu begleiten. Kurz darauf wurde dann auch schleunigst der Bahnhof Vojtanov verlassen:



Freund Tino gabelte mich ab hier auf. Gemeinsam fuhren wir weiter nach Cheb, um die Auslastung des Gegenzuges einzusehen. Dieser entpuppte sich als relativ wenig ausgelasteter KLV-Sattelaufliegerzug, der aber in Fahrtrichtung Zwickau seine meiste Fracht hinter den Loks hatte. Sehr zu unserer Überraschung stand auch 233 367 mit einem Umleiter nach Marktredwitz im Bahnhof. Diese ebenso als Containerzug verkehrende Leistung erwarteten wir in Elisenfels. Bereits während des Wartens kam etwas Bammel auf. Nicht das der Gegenzug nach Zwickau ohne uns abhaut. Aber Kollege Frank war freundlich und hielt uns auf dem Laufenden per SMS.
Zurück in Bad Brambach, war nichts mehr mit rein blauem Himmel. Immer mehr Gewitterwolken zogen auf und versuchten, die Szenerie zu verfinstern. Der Fahrdienstleiter verriet uns, das der Zug in Vojtanov bereits abgemeldet war. Eine dieser besagten Regenwolken wurde immer größer, aber sie zog so fotogerecht ins Bild, das sie einfach mit in den Bildausschnitt eingebaut werden musste. Ein kräftiger Pfiff des Typhons bei Bad Brambach Forst verriert schließlich auch für 232 668 und 232 587 mit KT 95510 das Annähern an den Bahnhof. Die Pufferumrandungen sowie die leicht weißen Spitzenlichtkästen hatte 232 668 damals in Riesa von einem gewissen "Scherenjäger" erhalten, mit dem man damals noch in Kontakt stand. Heute hat sich dies Gott sei Dank geändert:



Den Zug nach Zwickau liesen wir dahinfahren. Für uns ging es zurück nach Cheb, den abends verlässt immer regelmäßig ein gemischter Güterzug die tschechische Grenzstadt in Richtung Marktredwitz. Das hatte ich seit meinem ersten Besuch im Jahre 2011 hier auch mitbekommen. Damals wie heute ist das der EZ 45366, nur fuhr er 2013 erst gegen 18 Uhr zurück. 232 252 war dafür angekommen und hatte den Zug bespannt, welche schöner nicht hätte sein können: drei Es Wagen mit Steinkohle und eine verkürzte Einheit tschechischer Langschienen. Das Wetter blieb etwas südlich des Bergkammes D/CZ freundlicher und sorgte für eine sonniges Wetter, das der Zug für sich zu nutzen wusste. Freund Tino stand oberhalb und schaltete freundlicherweise meine Videokmera mit ein. Ich postierte mich unterhalb und erspähte durch eine Lücke einen Blickwinkel hinauf zum Seußener Viadukt. Einige Zeit später trat der Zug dann auch in Erscheining:



Von den genannten Maschinen fährt heute nur noch 232 587 für ihren alten Arbeitgeber. 232 252 wurde gut drei Jahre später ausgemustert und nach Polen verkauft, wo sie für das EVU KrixMax aktiv ist.
Die HU an 232 668 wurde 2024 wegen zu starker Rostschäden am Rahmen abgebrochen. Sie stand seitdem länger in Seddin zur Ersatzteilentnahme herum und wurde vor einigen Tagen nach Halle überführt. Dort wird sie alsbald auch ihr Ende finden.
2022 kam sie zusammen mit 232 589 aus Oberhausen zurück, wohin Nürnberg neben 232 262 auch 232 569 abgegeben hatte. Einige schöne Dienste durfte ich bis Ende 2023 noch mit ihr machen. Ende September 2022 standen einige Umleiter aus Furth im Wald auf dem Plan. Mit einem Zug von dort kam ich hier in Lauf Rechts der Pegnitz an der Ausfahrt zum Halten, da ich der Regionalbahn etwas zu sehr auf die Pelle gerückt war. Diesen kurzen Halt nutzte ich für ein schnelles sonniges Foto meines Zuges:



Für 233 367 kam das Ende 2018. Sie ist seitdem in Bulgarien hinterstellt, eine Aufarbeitung ihrerseits ist noch nicht abgeschlossen.

Trotz der vielen Jahren sind solche Tage besonders in Erinnerung geblieben. Mit Tino und Frank verbindet nun seither eine langanhaltende Freundschaft, die auch bis ins Rentendasein hielt. Auch heute stehen wir regelmäßig in Kontakt.
Ob wir jemals wieder DB Cargo 232er vor Elbtalumleitern auf dieser Strecke sehen werden? Ich hoffe es sehr!
Für die Freunde der bewegten Bilder gibt es das Video von besagtem Julitag 2013 noch obendrauf:

In jungen Jahren hat doch jeder irgendwie verrückte Sachen gemacht, aber solche Storys bleiben eben auch für immer hängen.