Das vergessene Tal

Spurensuche an bzw. in der Talsperre Eibenstock

Niedrigwasser in der Talsperre Eibenstock würde interessante Einblicke in das "vergessene Tal" der Zwickauer Mulde mit den beiden Bahnlinien Chemnitz – Adorf (CA) und Eibenstock unt Bf - Eibenstock ob Bf (EEo) zulassen. Leider kommt ein solch merkliches Absinken des Wasserspiegels sehr selten vor. Von August bis Dezember 2013 allerdings sank der Wasserspiegel kontrolliert um ca. 7 Meter, da aus der Vorsperre Schönheiderhammer das in den mittlerweile rund 30 Betriebsjahren der Talsperre angeschwemmte Geröll sowie Sedimente und Schlamm herauszuräumen war. Für die "Historiker" unter den Eisenbahnfreunden gestaltete sich eine (nicht ungefährliche) Fototour in die Gegend um Eibenstock und Schönheide zu dieser Zeit wie eine Reise in eine andere Welt: Es sind die interessantesten Relikte der beiden ehemaligen Bahnlinien aufgetaucht - das zweifellos Beeindruckendste ist der 103 Meter lange Schönheider Tunnel, gelegen am Kilometer 70,2 CA zwischen dem ehem. Bahnhof Eibenstock unt Bf und Schönheide Ost. Jener lag Ende November/Anfang Dezember im Bereich des Südportals (in Richtung Adorf) komplett im Freien! Lediglich eine ca. 1 Meter hohe Schlammschicht auf dem davorliegenden, in seiner Grundsubstanz noch immer vorhandenen Bahnkörper ließ das Mundloch etwas kleiner als früher erscheinen. Aber auch allerlei andere, längst verloren geglaubte bzw. nicht mehr am ursprünglichen Platze vermutete Bahntechnik durfte in den vier Monaten nach vielen Jahrzehnten wieder an die "frische Luft", z.B. die Reste der sächsischen Vollschrankenanlage am Posten CA 25c (unmittelbar am Südportal des Tunnels), der kellerähnliche Anbau des abgebrochenen Wärterhauses und die den ehem. Bahnkörper querende eiserne Rohrschleuse am km 70,6 CA. Auch die ein oder andere Holzschwelle hat die Zeiten unter Wasser überdauert. Vom überfluteten Teil der Eibenstocker Steilrampe dürfte der sächs. Grenzstein einige Meter vor dem ehemaligen Wegübergang mit der Muldenhammer Straße (= Wasserlinie bei Normalstau der Talsperre) erwähnenswert sein. In diesem Bereich führte die Nebenbahn - eine der steilsten Normalspurbahnen im Netz der DR - durch einen kleinen Einschnitt, bevor sie die Muldenhammer Straße niveaugleich kreuzte. Der erwähnte Grenzstein steht dabei auf dem oberen Rand der Böschung.
Die folgenden Bilder vermitteln für die nächsten Jahre (oder vielleicht Jahrzehnte?) wohl einmalige Eindrücke aus dem "vergessenen Tal"...:

Strecke EEo:


Die Muldenhammer Straße war bis 1975 die direkte Verbindung zwischen dem gleichnamigen Ortsteil im Tal der Zwickauer Mulde und der Stadt Eibenstock. Von einem „gewöhnlichen Waldweg“ unterscheidet sich die Straße im Jahre 2013 durch den noch immer vorhanden Asphaltbelag und die flankierenden Laubbäume inmitten der Fichtenmonokultur. Foto: Mike Robeck, 10.08.2013


Etwa in Bildmitte, noch innerhalb des Schattenwurfs, befanden sich die Gleise der Steilstrecke EEo im Straßenbelag der Muldenhammer Straße. Der nachträglich ausgebesserte Belag ist noch zu erahnen. Foto: M. Robeck, 10.08.2013.


Blick vom Wegübergang Muldenhammer Straße auf den aus dem Tal bzw. Wasser heranführenden Einschnitt, in welchem der Bahnkörper der
Steilrampe eingebettet war,10. August 2013. Von hier aus hatte man einen wunderschönen Blick in das Tal der Zwickauer Mulde und auf den unteren Bahnhof von Eibenstock. Foto: M. Robeck



Ein interessantes Relikt ist der mittlerweile 108 Jahre alte Grenzstein, welchen die Königlich Sächsische Staatseisenbahn
zur Markierung ihrer Bahngrundstücksgrenzen verwendete. Er taucht bereits beim Absinken des Wasserspiegels um ca. 3 Meter aus den Fluten der Talsperre auf. Das obere Foto entstand unmittelbar von der Böschung des Einschnittes aus, die Gleise befanden sich rechts davon. Der Blick geht in Richtung Eibenstock ob Bf. Darunter der Grenzstein im Detail. Fotos: M. Robeck, 10.08.2013


Das Asphaltband der Muldenhammer Straße verschwindet unterhalb des ehemaligen Wegübergangs im Wasser, Blick zum Gerstenberg. Foto: M. Robeck, 10.08.2013

Strecke CA:


Blick vom sog. "Tunnelfelsen" (oberhalb des Südportales) in das Muldental gen Adorf/Schönheide Ost. In Bildmitte der mit Schlamm bedeckte, jedoch trotzdem "hervorstechende" Bahnkörper. Am unteren Bildrand ragt der Holzmast aus dem Schlamm, welcher einst den Kasten des Streckenfernsprechers am km 70,360 CA trug. Daneben, etwas kleiner, einer der beiden Schrankenböcke der Vollschrankenanlage. Bedient wurde selbige vom Schrankenwärter des Postens CA 25c, dessen Wärterhaus inmitten der bräunlichen Wasserlache stand. Einziger sichtbarer Rest davon ist der mit einem Erdhaufen bedeckte, kellerähnliche Anbau (von den beiden Birkenstämmen teilweise verdeckt). Foto: M. Robeck, 23.11.2013.



Kelleranbau sowie Fernsprecher-Mast und Schrankenbock aus der Nähe. Fotos: M. Robeck, 23.11.2013


Direkt vom Bahnkörper der CA-Linie aus entstand am 10. August 2013 dieser Blick in Richtung Adorf. Deutlich ist die eiserne Rohrschleuse zu sehen, gelegen am km 70,6 CA. Wenige Meter weiter stand das Einfahrvorsignal Va des Bahnhofs Schönheide Ost. Foto: M. Robeck


Gleicher Fotostandort, nur um 180° gedreht und 3 Monate später: Blick zum Südportal des Schönheider Tunnels am 23.11.2013. Foto: M. Robeck


Bis zum 20.05.1969 stand unmittelbar vor dem Tunnel das Einfahrvorsignal Vg des Bahnhofs Eibenstock unt Bf. Nach dessen Versetzung zum km 70,0 CA nahm den Platz die dreistreifige Vorsignalbake ein.
Auf Grund der Schlammschicht war im November 2013 ein weiteres "Vorrücken" an den Tunnel nicht möglich. Eine geplante Fotoaktion mit Vorsignalbake und Pfeiftafel vor bzw. am Mundloch konnte leider nicht stattfinden, denn als Mitte Dezember Bodenfrost einsetzte und der Schlamm hätte gefrieren können, lag das Portal wieder komplett unter Wasser! Foto: M. Robeck, 23.11.2013


Der 103 m lange Tunnel liegt nicht nur im Bogen, sondern auch in einer Neigung von 1:160. Daher stand am tiefer liegenden Nordportal das Wasser wesentlich höher als am Südportal. Foto: M. Robeck, 23.11.2013.


Der Schönheider Tunnel war in den letzten Betriebsjahrzehnten zunehmend baufällig geworden. Daher errichtete man in den 1960er Jahren ein stählernes Schutzgerüst in der Tunnelröhre, auf das in der La-Ausgabe vom Mai 1968 hingewiesen wurde. Auch galt im Tunnel eine "Höchstgeschwindigkeit" von 10 km/h. Nicht minder interessant sind die anderen beiden La-Einträge: Die Hauptsperrmauer wurde zwischen km 65,58 und 65,73 CA errichtet und das Einfahrvorsignal Vf des Bf Wolfsgrün war seit 21. Juni 1965 in Warnstellung festgelegt. Sammlung M. Robeck


Letzte Relikte... . Foto: M. Robeck, 23.11.2013.


Da man nicht immer weiß, ob gewisse Bilder jemals wiederholbar sind, zum Schluß ein Foto in eigener Sache ;)
Am km 70,700 CA, 10. August 2013. Foto: Selbstauslöser

Viele Grüße
Mike

Schöner Bilderbogen - im Modelleisenbahner 3/14 gibts auch nochmal einen Artikel darüber

Auch von mir erst mal ein großes Lob und Dank für diesen sehr interessanten Bericht.

Am 16.02.2014 schaute das ganze so aus.




MfG !! Mirko Riedel