Hallo,

Anfang August ergab sich die Möglichkeit noch ein paar Tage Urlaub zu nehmen und diesen mehrheitlich zum Ausüben des Hobbys zu nutzen. Dabei galt es nur noch ein Ziel zu bestimmen. Prinzipiell standen drei Destinationen zur Auswahl. Ganz oben befand sich eigentlich das Elsass und die dort noch verkehrenden Ellok- und Diesellokklassiker, aber eine Nachfrage bei ortskundigen Hobbykollegen ergab, dass aufgrund der Sommerferien deutlich weniger der Maschinen im Betrieb anzutreffen sein. Angetan war ich außerdem von den zahlreichen M62-Fotos aus Ungarn und dort war ich seit Kindheitstagen sowieso nicht mehr. Der Blick in die Wettervorhersage versprach sommerliches Wetter und hochsommerliche Temperaturen von 38°C, das gleiche hätte uns im Elsass auch geblüht. Also entschied das Wetter zugunsten von Destination Drei, dem Altvatergebirge, von wo aus einige sehenswerte Strecken zu erreichen sind und nur Tageshöchsttemperaturen von 31°C prognostiziert wurden. Dass sich dies nur auf dem Bronzeplatz befand, war dem Umstand geschuldet, dass auf dem „schlesischen Semmering“, einer der schönsten Strecken der Region SEV herrschte. Aber mit der „Hotzenplotzerin“, der Schmalspurbahn von Třemešná ve Slezsku nach Osoblaha (dt. Hotzenplotz), existiert ja noch ein absolutes Highlight, zumal auch hier das Ende der 50 Jahre alten T 47.0 vor der Tür stehen soll. Also Koffer und Kinder ins Auto verfrachtet und über Polen erreichten wir recht zügig und ohne größere verkehrsbedingte Verzögerungen unser Quartier in Krnov.

Mittwoch 01.08.18

Der Tag begann wie sich der ganze Urlaub gestalten sollte - schwülwarm, bereits gegen 08:00 Uhr waren es 25 plus auf der Celciusskala und die hohe Luftfeuchtigkeit sorgte für ein weiches, beinahe schon diffuses Licht ohne Chance auf weite Fernsicht. Erster Anlaufpunkt war der zweite Zug des Tages, der Třemešná 07:30 Uhr verlässt. Ich hatte mir zwar vorgenommen in den kommenden Tagen auch den ersten Zug des Tages, 05:50 ab Osoblaha, zu fotografieren, aber es fehlte dann doch die Überwindung so früh aus den Federn zu hüpfen.

In Třemešná zweigt die unter der Nummer 298 im Kursbuch zu findende Strecke auf 395 Meter Seehöhe von der Normalspurstrecke Krnov - Głuchołazy ab und steigt mit bis zu 26,8 ‰ bis zum etwa zwei Kilometer entfernten Streckenscheitelpunkt auf 440 Meter Höhe an. Um Kosten beim Bau der Strecke zu sparen, wurde auf aufwendige Kunstbauten und Dämme verzichtet und so folgt der Streckenverlauf weitestgehend dem Gelände, was der Strecke den liebevollen Beinamen „Strecke der hundert Kurven“ einbrachte. In dieser Steigung unmittelbar hinter Třemešná gibt es einige Fotomöglichkeiten, da die Strecke doch recht frei verläuft. Licht auf der Lokfront hat aber nur der morgendliche Zug, denn momentan existiert ein 4h-Takt und der nächste Zug würde sich erst halb Zwölf wieder ins Mährisch-Schlesische Hinterland aufmachen. Die Strecke quert in der Steigung die gut ausgebaute Fernverkehrsstraße 57, die einen doch sehr regen und stetigen Lkw-Verkehr aufweist, den ich in diesem Zipfel nicht erwartet hatte. Einem gelungenen ersten Foto, der Auftakt ist ja immer besonders wichtig, stand nun ein möglicher Lkw-Schaden im Weg. Und tatsächlich tat ein Lkw beinahe alles um mit aufs Bild zu kommen. Allerdings nicht auf der Fernstraße, ein 40-Tonner rollte auf der hier parallel zur Bahn verlaufenden Straße nach Liptaň herab. Obwohl ich mich zumeist negativ über Sträucher entlang Bahnstrecken äußere, der hinter dem Zug emporragende Bewuchs verbarg diesmal vortrefflich den ungeliebten Straßengüterverkehr.


705 913 hat mit Os 20605 Třemešná verlassen und befindet sich inder Steigung hinauf nach Liptaň, am Hang im linken Hintergrund ist die Trasse der Normalspurstrecke von und nach Krnov zu erkennen

Dass der Zug pünktlich erschien bewirkte auch Erleichterung, denn 705 913 ist die letzte betriebsfähige Lokomotive für die Strecke, erleidet sie einen Defekt, fährt der Bus. Den Zug kann man sehr gemütlich per Automobil verfolgen, denn die Streckengeschwindigkeit überschreitet kaum die 50 km/h-Marke und die zahlreichen Kurven wurden bereits erwähnt. Ein Konzept für weitere Fotostellen hatte ich nicht und so fuhr ich recht „blind“ der Strecke entlang. Unmittelbar vor dem Haltepunkt Dívčí Hrad befindet sich ein Bahnübergang, wo das Züglein erneut abgepasst wurde.


Dritter Haltepunkt der Strecke ist Dívčí Hrad (Maidelberg), das noch ein gutes Stück entfernt liegt, wenige Meter vorher taucht der Zug aus einem kleinen Waldstück hervor

Ein Nachteil der Bahn liegt in der Entfernung der meisten Haltepunkte von den Ortschaften. Im früher als Füllstein bezeichneten Bohušov hingegen findet sich der Bahnhof nicht weit vom Ortskern, bei der Ausfahrt konnte der Zug erneut abgelichtet werden.


Os 20605 verlässt Bohušov und strebt nun entlang der Grenze zu Polen dem Zielort entgegen

Der deutsche Name des Streckenendpunkts Osoblaha, Hotzenplotz, ist aufgrund der Geschichten Otfried Preußlers, dessen Vorfahren in der Gegend ansässig waren, in ganz Deutschland bekannt. Allerdings findet man hier weder einen Räuberhauptmann noch einen Kasperl oder Seppl. Der derzeit etwa 1.000 Einwohner zählende Ort am Lauf der Ossa machte auf uns keinen sehr lebendigen Eindruck. Im zweiten Weltkrieg sehr zerstört, finden sich verbreitet sozialistische Funktionsbauten vor, mehr oder minder sanierungsbedürftig. Gemeinsam mit einigen verlassenen Häusern verstärkt sich das Gefühl einer verlassenen und von Entscheidungsträgern vergessenen Grenzregion.

Auch hier wurde der Bahnhof nicht wirklich zentrumsnah errichtet, Polen kann man vom Bahnsteig deutlich schneller erreichen als den Ortskern. Nach der Ankunft erfolgt rasch das Umsetzen und die immer noch recht tiefe Sonne erhellt gerade so die Bahnanlagen. Hier findet sich noch ein Frachtenmagazin, sowie der Lokschuppen der nach wie vor zur Abstellung und Wartung genutzt wird.


705 913 hat umgesetzt, im Hintergrund ist der zweite einsatzfähige Wagen der Gattung Balm/ú abgestellt

Für Lokomotive und Personal ist nun erstmal zweieinhalb Stunden Pause angesagt und das sollte auch für uns gelten, also Rücksturz zur Pension zur Einnahme des reichhaltigen Frühstücks. Im Hinterkopf befand sich das Vormittagszugpaar 09:50 ab Osoblaha, welches in Liptaň gemeinsam mit der dortigen prägnanten Backsteinkirche Mariä Himmelfahrt abgelichtet werden sollte. Nun ja, das Vorhaben klappte nicht so wirklich den Erwartungen entsprechend. Der Gegenzug verlässt Třemešná erst eine Stunde später und inzwischen war es in der Sonne doch ziemlich ungemütlich geworden, aber nicht weit von einem Bahnübergang südwestlich Liptaňs findet sich der von schattenspendenden Bäumen umgebene Flusslauf des Liptaňsky Potok. Hier lässt sich auch gleich noch eine lokale erdgeschichtliche Sehenswürdigkeit besichtigen, einen 4,7 Tonnen schweren und damit größten Findling der Region. Schatten und Stein fand man vor, nur der Bach war ausgetrocknet.

Nun war die Zeit für den nächsten Zug, Os 20607, nicht mehr weit, also wurde wieder die Steigung kurz nach Třemešná aufgesucht, wo sich auch für diesen Zug mehrere Varianten anbieten. Die schon den ganzen Tag hohe Luftfeuchtigkeit führte inzwischen zur Bildung einiger Quellwölkchen, die noch eigentlich nicht wirklich gefährlich erschienen, aber natürlich verdunkelte sich kurz vor der Zugdurchfahrt die Szenerie. Dachte ich erst zwischen zwei Motiven wählen zu müssen, so ermöglichte mir die geringe Geschwindigkeit des Zuges die Steigung hinauf auch noch den „Klassiker“ der Strecke umzusetzen, den Blick aus dem Friedhof Třemešnás.


Ein Motiv mit nur geringer Halbwertszeit, wie die zahlreich gepflanzten Jungbäume verraten - Os 20607 in der Steigung hinter Třemešná


Die ewige Ruhe stören hier nicht die im Vierstundentakt verkehrenden Schmalspurzüge, vielmehr donnern inzwischen zahlreiche Lkws im Transitverkehr an den Friedhofsmauern vorbei

Wiederum entspannt ging es dem Zug hinterher. Hinter Liptaň fällt die Strecke recht schnell wieder auf etwa 300 Höhenmeter herab und verbleibt dann für viele Kilometer auf einer Art landwirtschaftlichen „Hochebene“. Hier findet sich auch der Haltepunkt Horní Povelice, der ebenfalls ein gutes Stück vom Dorf selbst entfernt liegt. Das ursprüngliche Bahnhofsgebäude wurde vor einigen Jahren abgerissen und durch einen hölzernen Bau ersetzt. Das Auto wurde am Haltepunkt geparkt, da ich dachte, dass der vom Fotopunkt aus nicht im Bild wäre. War er aber dann doch, genau wie das Auto.


Der Mittagszug hat kurzen Halt in Horní Povelice gemacht und kurvt dem nächsten Halt Amalín entgegen

Zum Haltepunkt wurde langsam zurückgekehrt, denn bei dieser Witterung verursachte einfach jedwede Bewegung Transpiration. Mit immer noch viel Vorsprung wurde wieder Bohušov erreicht, nun sollte es der von der Lokalstraße ausgehende Blick auf das Bahnhofsensemble sein, den seit kurzem ein moderner Funkmast ziert, der mit der urigen und seit 50 Jahren nahezu unveränderten Betriebsführung so einfach mal gar nicht korrespondieren will.


Finde den Fehler - 705 913 trifft im fast ursprünglichen Bahnhof Bohušov ein, ein Fall für den Stempel?

Das letzte Foto zeigte es bereits an, die Quellwolken gewannen nun mehr und mehr die Oberhand am Himmel. In Zusammenhang mit den unangenehmen Temperatur-Luftfeuchte-Bedingungen wurde die Rückkehr ins erträglich temperierte Quartier beschlossen. Dass es hier einen Pool gab, spielte natürlich nur eine unwesentliche Rolle. Am Nachmittag juckte dann doch noch mal der Auslösefinger und die Entscheidung keines der lokalen Hopfengetränke konsumiert zu haben sollte auch nicht unnütz bleiben. Im Rahmen der ohnehin notwendigen Besorgung von Lebensmitteln für die nächsten Tage wurde dem Bahnhof Krnov noch ein Besuch abgestattet. Dank des sehr zu empfehlenden „Reisebegleiters“ der edition bohemica (link) war ich über die nicht zu vernachlässigende Zahl an Güterzügen im Raum Krnov informiert, aber da Güterzugfahrzeiten mitunter nicht mehr Wert haben als das Papier, auf dem sie gedruckt sind, habe ich schon vor Beginn des Ausflugs Abstand von derartigen Ambitionen genommen. Im Bahnhof Krnov waren zwei Cargobrillen der Baureihe 753 damit beschäftigt Wagen hin und her zu rangieren. Ein System habe ich zwar nicht erkannt, da tlw. die unveränderte Wagenreihenfolge aus dem Gleis raus und wieder reingefahren wurde. Vielleicht verhindert die tschechische Bahn so Standschänden bei abgestellten Güterwaggons. Einen schönen Blick über das Bahnhofsareal bekommt man von einer Straßenbrücke an der südlichen Ausfahrt. Hier konnte auch das Doppel mit 753 771 an der Spitze mehrfach mit Sonne festgehalten werden. Dies war gar nicht so selbstverständlich, denn inzwischen waren große Teile des Himmels von Quellwolken bevölkert.


In Krnov wird fleißig ranigert

Nachdem wir uns das Spektakel etwa eine dreiviertel Stunde lang angeschaut hatten, fuhren wir mit der Verpflegungsbesorgung fort, woran sich noch eine kleine Stadtbesichtigung anschloss. Die einzelnen Quellwolken hatten sich nunmehr in großflächige Schichtwolken verwandelt. Regen lag in der Luft und über diesen wäre man zweifelsfrei erfreut gewesen, aber stattdessen zeigten sich ab 18:00 Uhr dann doch wieder ein paar Lücken in der Wolkendecke. Ins Auge gefasst wurde der Abendzug der Schmalspurbahn, der Třemešná 18:37 Uhr erreicht, nur hielt sich dort ein zähes und aufgrund der geringen Luftzirkulation kaum bewegliches Wolkenfeld. Plan B, vor Ort geschmiedet, sah einen Zug auf der Normalspurstrecke vor. In diesem Abschnitt der als 292 bezeichneten Kursbuchstrecke bis Šumperk verkehren nur unregelmäßig und im groben zwei Stunden-Takt Züge. Daran ist auch die Trassierung als Korridorstrecke über Polen inklusive Kopfmachen schuld. Die an allen Bahnhöfen haltenden Os enden demzufolge auch vor der Grenze, lediglich einige Sp-Züge überqueren diese und enden im touristisch erschlossenen Lipová-lázně. Der letzte Zug des Tages in diese Richtung ist Sp 1666. Er verlässt Krnov um 19:04 Uhr und ist im Normalfall aus einem Triebwagen der Baureihe 843 und Beiwagen gebildet. Da aber die Einsatzstelle Olomouc bei diesen Fahrzeugen über keine hohe Reserve verfügt, kann auch spontan eine Brille auftauchen. Am heutigen Tage war dies aber nicht der Fall Dennoch überwog die Freude, den Zug zwischen Krásné Loučky und Linhartovy im weichen Abendlicht, kurz bevor das Sonnenlicht zuerst von einem größeren Wolkenfeld und dann von den Bergen des Altvatergebirges geschluckt wurde, festgehalten zu haben.


Ein dieselelektrischer „Sarg“ als abendlicher Spěšné vlak nach Lipová-Lázně

So konnte sich also dem Abendessen gewidmet werden. Dank der Wolkenbildung überschritt die Temperatur heute tatsächlich nur unwesentlich die 30°-Marke, wobei die hohe Luftfeuchtigkeit verhinderte, den Tag als hochsommerlich angenehm einzustufen. Für den nächsten Tag war eine leichte Temperaursteigerung angesagt und das Programm sah ähnlich aus wie heute. Was daraus geworden ist……

Grüße
björn

Hallo Björn,

danke für den schönen Beitrag!

Ich glaube mich am Fenster des Zuges 20607 wiederzufinden, weil wir die Strecke im Rahmen des Sommerurlaubes zufällig am gleichen Tag besuchten. Allerdings lag unser Fokus mehr auf der Mitfahrt, welche ebenfalls sehr lohnenswert ist.

Gruß, Nils