Hallo,

weiter geht es mit dem dritten Teil der Retrospektive unserer Südosteuroparundreise.

Teil I [www.eisenbahnforumvogtland.de]
Teil II [www.eisenbahnforumvogtland.de]
Teil III hier
Teil IV [www.eisenbahnforumvogtland.de]
Teil V [www.eisenbahnforumvogtland.de]

Freitag, 21.07.2023

Heute sollte es nicht nur einen morgendlichen und abendlichen Ausflug an die Strecke geben, sondern ich bekam das offizielle Go vom Familienrat, den Tag komplett fotografisch nutzen zu können. Das würde dann zwar die Hochlichtphase miteinschließen, aber das ließ ich unberücksichtigt, denn man kommt ja nicht allzu oft hierher, warum dann die Zeit nicht auch nutzen. Und ein Hochlichtbild ist mir immer noch lieber als kein Bild.

Früh musste sich entschieden werden, eigentlich wollte ich ja den Zug aus Septemvri am Bü mit dem Pirinpanorama kurz vor Dobrinishte aufnehmen. Allerdings gäbe es dazu bei der guten Wettervorhersage auch die nächsten Tage noch genug Möglichkeit. Also nahm ich den Frühzug nach Septemvri ins Visier. Dieser verlässt Dobrinishte gegen halb Sieben, für mich deutlich zu früh. Da der Zug nicht gerade schnell unterwegs ist und zudem den Bogen über Bansko und Raslog fährt, konnte ich entspannt nach der Abfahrtszeit des Zuges aufstehen und ihn dank der direkten Straße bis Belitsa (oder Beliza, die Transkription des Kyrillischen schwankt) überholen. Für eine ausgiebige Motivsuche hatte ich keine Zeit, aber die Bahnhöfe der Rhodopenbahn sind ja (fast) alle recht fotogen. Am Bahnhof angekommen, erwartete mich erstmal eine Polizeikontrolle, jedenfalls rhetorisch. Der Beamte winkte Autos aus der Gegenrichtung heraus und sein Kollege schwatzte mit einem Kaffee in der Hand im Eingangsbereich eines kleinen Cafés, dessen Holzkonstruktion stark der Marke Eigenbau entsprach. Der Bahnhof selbst war zwar in der Tat recht hübsch, aber mit den Abständen der Telegrafenmasten und den recht wild geparkten Autos, was ja eigentlich recht balkantypisch ist, gefiel mir die klassische Zug-mit-Empfangsgebäude-Position gar nicht so sehr. Aber ein paar Meter weiter vorne hatte man den Vorteil, nicht nur keine Autos direkt vor der Linse zu haben, sondern auch noch ein Storchennest samt Bewohner mit ins Bild zu nehmen. Diese sind ebenfalls typisch für diese Gegend und es gibt kaum ein Dorf ohne nennenswerte Storchenpopulation. Dass sich im Hintergrund zudem ein beträchtlicher Teil des Pringebirges erhebt, macht die Fotopositionen um den Bahnhof Belitsa auch nicht gerade unattraktiver.
Erwartete ich angesichts der nicht gerade kleinen Zahl der Fahrgäste, die sich am Bahnsteig tummelten, einen etwas längeren Halt, so strafte mich das Personal Lügen, denn innerhalb kurzer Zeit war der Zug abgefertigt und ich musste doch noch die Beine in die Hand nehmen, um bei der Ausfahrt noch ein zweites Bild anzufertigen.


Adebar und Familie bereichern zahlreiche Gemeinden in der Gegend, so auch die Einfahrt des Bahnhofs Belitsa, welchen 77 002 mit PW 16102 nach Septemvri erreicht…


….und vor der prächtigen Kulisse des Pirins wieder verlässt. Man könnte hier analog der Panoramaschaubildern auf Aussichtsplattformen über jedem Gipfel den zugehörigen Namen samt Höhe einbinden. Ich begnüge mich aber mit der Erwähnung des gestern bestiegenen Bezbog ganz links und des Wichren, dem mit 2914 Meter höchsten Berg des Pirins, oberhalb des Beimannfensters der erst im September letzten Jahres erneuerten Maschine.

Dass jetzt hier mit der 77 keine Henschel auftauchte, veranlasste mich, doch einmal ein wenig über den Umlauf nachzudenken, was ich bisher sträflich vernachlässigte. Das brachte die Erkenntnis, dass logischerweise diese Lokomotive am Frühzug sein musste, denn sie hatte schließlich am vergangenen Abend den Abendzug nach Dobrinishte gebracht. Und wenn ich den Fahrplan richtig interpretiere, dürfte sie auch den Nachmittagszug bespannen, dem ich eigentlich heute auch wieder hinauf folgen wollte. Das würde (beinahe) kein Henschelfoto heute bedeuten. Hmm, was nun? Abbrechen und die Aktion auf einen anderen Tag verschieben? Denn eigentlich sollte das Hauptaugenmerk natürlich auf den Henschellokomotiven liegen. Bei anderen Fotoberichten der Bahn war mir die 77er, die ja auch eine Art Lizenzbau darstellt, gar nicht so sehr aufgefallen. Das lag aber vor allem daran, dass sich die Lok optisch, sprich in Farbgebung und Verschleißerscheinung kaum von den 75ern unterschied. Durch die Aufarbeitung und Neulackierung, schwarzes Fahrwerk, das fast schon weiße Dach und das noch leuchtende Rot hob sich die Maschine aber derzeit derart stark vom Rest der Fahrzeugflotte ab, dass ich sie aufgrund des modernen Aussehens immer als „Rhodopenvectron“ bezeichnete.
Den Gedanken abzubrechen vergrub ich schnell wieder, denn der Tag heute war familiär vereinbart, da wollte ich jetzt nicht plötzlich auf der Matte stehen und über einen anderen Tag verhandeln. Und ob das Wetter, trotz hervorragender Vorhersage, wirklich noch so viel Sonne bereithalten würde war angesichts der ziemlich instabilen Wetterlage weiter westlich nicht hundertprozentig gegeben. Also ging es der 77er hinterher.


Einen etwas längeren Halt gab es in Yakoruda, was nicht nur darauf zurückzuführen ist, dass dies einer der größeren Ortschaften der Gegend ist und der Bahnhof relativ nah am Zentrum liegt und somit etwas mehr Fahrgastaufkommen generiert, sondern auch durch den Umstand, dass der Weichenwärter nach der Einfahrt mit dem Fahrrad ans andere Ende des Bahnhofs fuhr, um einen Bü zu sichern. Und zwischendurch noch einen ausgiebigen Plausch mit einem gerade dem Zug entstiegenen Passagier hielt. Indes, groß verspätet hat sich die Abfahrt dadurch nicht.


Cherna Mesta, eher bekannt durch das Moschee-Motiv, hat auch am Haltepunkt, zumindest an Sommermorgenden durchaus etwas für den Fotografen zu bieten.

Wenn man so das Tal der Mesta oder, wenn man den griechischen Namen heranzieht, des Nestos, (anhand der beiden Genitivartikel sieht man mal wieder das Problem der deutschen Sprache mit dem Geschlecht), entlangfährt, dann realisiert man gar nicht, dass die Bahn seit Belitsa bereits wieder mehr als 200 Höhenmeter gewonnen hat und damit auch schon höher liegt als die Hochebene bei Bansko. Dass bis zum Scheitelpunkt der Strecke in Avramovo auf deutlich kürzerer Strecke nochmal fast 300 Höhenmeter überwunden werden müssen, merkt man nun auch auf dem Asphaltband, das hinter Cherna Mesta erheblich steiler verläuft. Die Rhodopenbahn benötigt dazu in diesem Abschnitt mehrere Kehrtunnel und Straßenquerungen, wobei sich eine auch als Motiv anbot, ich aber den Auslösepunkt nicht richtig erwischte. Die erhebliche Neigung verlangsamt die Züge deutlich, sodass ich deutlich vor dem Zug in Avramovo, am höchsten Punkt der Strecke eintraf. Dort schwankte ich zwischen der klassischen Perspektive am EG und etwas weiter in der Ausfahrt mit sommerlicher Vegetation. Da bei mir gilt, dass saisonale Besonderheiten (also Blüten, Herbstlaub, etc.) immer gewinnen, stellte ich mich inmitten schulterhoher Gewächse. So wirklich gefallen hat mir das Motiv mit dem zugefahrenen Empfangsgebäude aber dann doch nicht und auch ein paar Wochen später erzeugt es keine Freudensprünge. Vielleicht wäre es mit Henschellok schöner gewesen….


Wir befinden uns am höchsten Punkt des Balkans, zumindest was das Eisenbahnnetz angeht. Von 1267 Meter Höhe geht es für die FAUR-Lokomotive und ihre drei Wägelchen von nun an bergab.

Für den Zug beginnt nun ein Karussell mit vielen Kurven und (Kehr-)Tunnel, gilt es doch auf den neuneinhalb Kilometer bis zum nächsten Bahnhof Sveta Petka mehr als 200 Höhenmeter zu verlieren. Leider verläuft dieser anspruchsvoll trassierte Abschnitt fernab der Straße und ziemlich eingewachsen im Wald, sodass, insbesondere zu dieser vegetationsreichen Jahreszeit, kaum vernünftige Bilder möglich sind. Derweil nahm ich die Straße hinab nach Velingrad, welche auch nicht gerade unspektakulär durch die Rhodopen führt, sogar noch etwas höher hinaus und einige sehr, sehr schöne Ausblicke parat hält.


Die auf den Hügeln angesiedelten Ortschaften haben mich ein wenig an Italien erinnert. Ausblick bei Sveta Petka.

Durch die Fotostopps kam ich gar nicht so weit vor dem Zug in Velingrad an, dem Betriebsmittelpunkt der Strecke. Am Bahnhof, der noch über umfangreiche, teils von abgestellten Güterwagen bevölkerte Gleisanlagen verfügt, konnte ich nahe des Bahnsteigs parken. Eine große Tafel verwies auf die Kostenpflichtigkeit der Stellplätze. Nur leider konnte ich vom Auto aus keinen Automaten erkennen. Und man hörte den Zug bereits pfeifen. Also schnell zwischen ein paar Bäumen und über eine Wiese zu den Gleisen, Foto gemacht und wieder zurück. In diesen 5 Minuten wird ja wohl keiner…..doch. Anscheinend hatten sich die fleißigen Mitarbeiter des Ordnungsamtes in der Nähe auf die Lauer gelegt und mein linkes Vorderrad mit einer Parkkralle verziert. Ein auf die Seitenscheibe geklebter Zettel wies auf das Vergehen und eine Telefonnummer hin, die ich gleich wählte. Glücklicherweise verstand der Mann am anderen Ende auch direkt, um was es ging. Oder er hat das Ganze beobachtet, denn nur 2 Minuten später tauchte ein alter Fiat-Kombi mit drei Insassen auf, ein junger Mann am Steuer und zwei ältere auf den Rücksitzen. Während einer von ihnen mein Bußgeld entgegennahm, entfernte der andere die Kralle. Auf meine Frage, wo denn der Automat sei, zeigte er auf ein Teil des Bahngebäudes meinte dort um die Ecke wäre er. Naja, ich habe es nicht nochmal überprüft. Immerhin zeugte das Bußgeld von umgerechnet um die 9 Euro nicht von kompletter Abzocke.


Vom Entfernen vom Auto bis zum Entfernen der Parkkralle vergingen nicht einmal 10 Minuten

Der Zug war jetzt natürlich etwas weiter weg, aber ich hatte mit ihm ohnehin nix mehr vor, denn abgesehen von einem kurzen Stück hinter Velingrad fährt er nun bis zum Endbahnhof Septemvri durch die zwar sehr spektakuläre, aber nun gerade lichttechnisch ungünstige Chepino-Schlucht. Auch ich nahm diese Route über die oft bahnparallele Straße, wobei ich schon feststellte, dass viele bekannte und schöne Motive mit dem am frühen Nachmittag wieder herauffahrenden Zug wohl nicht umsetzbar sind.
Mein Programm sah nun ein Besuch der Normalspurstrecke vor. Dort sollte es nun bis zur Abfahrt des Schmalspurzuges nach Dobrinishte einige Züge geben, was angesichts des recht dünnen und vor allem sehr unregelmäßigen Fahrplans keine Selbstverständlichkeit darstellt. Standorte hatte ich mir vorab nicht wirklich notiert und den ersten Zug verpasste ich auch genau deswegen, denn eine Straßenbrücke kurz vor Pasardschik offenbarte den falschen Sonnenstand und eine zugewachsene Strecke. Aber die neu errichtete Straßenbrücke am Haltepunk Kovachevo, selbst googlemaps hatte sie noch nicht, bot einen passablen Blick auf die Strecke und vor allem einen Warteplatz im Schatten der Brücke, denn es war inzwischen wieder sehr heiß und hier in der Ebene nochmal deutlich heißer. Während meines Aufenthaltes gesellte sich dann auch eine Rotte Gleisarbeiter auf der gegenüberliegenden Gleisseite hinzu, die dort ihre Mittagspause verrichteten. Erster Zug an der Stelle war ein Schnellzug von Gorna Orjahovica nach Plovdiv, der nicht den direkten Weg nimmt, sondern einen großen Bogen über Plewen und Sofia fährt. Erfreulicherweise hing vor den drei durchaus sauberen blauen Wagen eine Skoda-Lok der Reihe 44, unerfreulicherweise stand die Sonne doch noch sehr spitz. Aber bis zur Abfahrt des Schmalspurzuges sollte ohnehin noch ein Weilchen vergehen, sodass ich locker noch bis zum nächsten planmäßigen Zug warten konnte, einen Schnellzug aus Sofia nach Varna eine dreiviertel Stunde später. Während des Dahindösens im Schatten erblickte ich am Horizont gerade noch rechtzeitig die gelbe Front einer 46 und freute mich schon über einen Güterzug, denn die Zeit des Schnellzuges war bei weitem noch nicht ran. Aber es handelte sich tatsächlich um etwas viel Selteneres: den Optima-Express, der zwischen Mai und Oktober eine Verbindung zwischen Villach in Österreich und Edirne in der Türkei bietet und somit Touristen und Emigranten die Fahrt über den Balkan und das Schlangestehen an Grenzübergängen erspart. Ich startete sogleich die Internetrecherche und fand heraus, dass der Zug eigentlich schon vor 5 Stunden seinen Zielort hätte erreichen müssen, aber so hatte wenigstens einer was von der Verspätung.


Welch Überraschung – der stark verspätete EN (oder AZ?) 141 nach Edirne mit 46 208 an der Spitze, eine Vertreterin der Mitte der Achtziger beim nördlichen Nachbarn beschafften Sechsachser. Man beachte den slowenischen Wagen an dritter Stelle.

Der nachfolgende Schnellzug nach Varna hatte leider sehr beschmierte Wagen und wurde von einem Vectron gezogen, die persönlich zwar optisch gelungen finde, aber aufgrund der Verbreitung in Europa schon fast eine Landplage darstellen, gibt es doch inzwischen kaum noch ein Land ohne diese Maschinen. Letzter Programmpunkt an der Brücke war nun ein Zug aus der Gegenrichtung, für den der Standort zwar kein Motiv bietet, mir aber für einen Standortwechsel oder Motivsuche bei der sengenden Hitze jegliche Motivation fehlte. Der Zug aus Plowdiw bestand zwar auch aus einer beschmierten Garnitur, aber immerhin zog eine Skoda-Lok. Wobei mich ein Vectron auch etwas verwundert hätte, denn schließlich handelte es sich nur um einen Regio. Fast überkam mich die Enttäuschung, dass auch dieser Zug lokbespannt war, denn bei einem E-Desiro wären es vier verschiedene Fahrzeuge bei vier Zügen gewesen.


PW 10112 von Plowdiw nach Sofia hält an vielen Bahnsteigen, derjenige des modernen Haltepunkts Kovachevo gehört nicht dazu.

Nach dem Exkurs zur Normalspur widmen wir uns nun wieder den schmalen Gleisen durch die Rhodopen hinauf zu den Hochgebirgen Pirin und Rila. Wie ich bereits erwähnte führt der erste Abschnitt vom Abzweigbahnhof Septemvri durch die enge Chepino-Schlucht, die jedoch für den frühen Nachmittagszug leider nur wenig Motive bereithält. Ein solches findet man am Haltepunkt Tsepina mitten in der Schlucht.


Ein wenig keimte noch die Hoffnung auf einen Lokwechsel in Septemvri, aber wie erwartet hat der Rhodopenvectron 77 002 den Nachmittagszug PW 16015 nach Dobrinishte übernommen. Nachmittag nicht etwa aufgrund der Abfahrtszeit in Septemvri, die ist kurz nach Mittag, aber der Zug ist den ganzen Nachmittag unterwegs.

Ja, ich wiederhole mich, aber in dem Bereich der Schlucht gab es hier nun keine weiteren Motive mit diesem Lichtstand, das müsste man zu dieser Jahreszeit mit dem erst am Nachmittag Septemvri verlassenden Zug umsetzen. Wobei es tatsächlich auch für diesen Zug noch ein weiteres Motiv gegeben hätte, aber das vereitelte ein handbedeinter Bahnübergang mit sehr langer Schließzeit. Man hätte den Zug nun wieder im Bahnhof Kostandovo aufnehmen können, aber dort stand mir die Sonne bereits zu spitz. Also suchte ich ein Motiv ein paar Streckenkilometer weiter auf der Hochebene vor Velingrad, wobei gar nicht mehr so viel Zeit verblieb. Ein erster Bü sagte mir nicht so zu, also versuchte ich es etwas weiter vorher, was aus der Entfernung ein wenig nach Motiv aussah. Wäre es in die Gegenrichtung mit den Bergen des Rila-Gebirges und Schönwetterwolken im Hintergrund auch gewesen. Leider passierte der mit Henschel bespannte Gegenzug die Stelle vor meiner Ankunft.


Der Zug hat die Chepino-Schlucht hinter sich gelassen und kurvt nun über die sehr trockene Hochebene Velingrad entgegen.

Das nächste geplante Foto sollte im Stadtgebiet von Velingrad gelingen, denn hier verkehrt die Bahn teilweise straßenbahnähnlich zwischen Häusern und Asphalt. Aber leider unterschätzte ich diesmal die Geschwindigkeit und ließ beim gemütlichen durch den Ort rollen etwas zu viel Zeit. Vor allem, weil mich der Hunger inzwischen ergriffen hatte und ich an einem kleinen Laden zwecks Proviantbesorgung anhielt. Ich fand dann zwar noch eine Stelle, auch hier muss man konstatieren, dass das Licht für diesen Zug nicht so wirklich passt, aber das Bild war nicht der Rede oder des Zeigens wert.
Da sich der Zug nun entfernt von der Straße zum Scheitelpunkt nach Avramovo emporarbeitet, plante ich das nächste Foto erst in Cherna Mesta am bekannten Moschee-Motiv. Die Zeit dahin überbrückte ich mit einer entspannten Pause zum Verzehr des frisch erworbenen Proviants am Ufer der Mesta bzw. des Nestos, das Thema hatten wir schon. Leider klappte das Motiv in Cherna Mesta nicht so wirklich. Ich hatte die Pause derart ausgedehnt, dass ich mich erst wieder in Bewegung setzte nachdem der Zug an mir vorbeirauschte. Und am Motiv angekommen, fegten doch tatsächlich einige Wolken vor der Sonne umher. Diese verdunkelten zwar nicht wirklich die Szenerie, aber so ein paar Lux nahmen sie und mit meiner Position an diesem weitwinkligen Motiv war ich auch nicht zufrieden.
Also auf zum nächsten Must-Have, den Blick von einer Anhöhe bei Yurokovo auf den Bahnhof und den Ort. Das Motiv ward schnell gefunden, aber ich erschrak ob des wilden Gebells und vermutete erst ein paar wilde Hunde. Allerdings hatte ich diese bislang als zurückhalten und friedlich erlebt. Und schnell war auch klar, dass es sich hier um zwei, glücklicherweise angepflockte Hütehunde eines Grundstückes nebst der Bahn handelte. Na klar, Feuer bekämpft man am besten mit Feuer und streunende Hunde mit zähnefletschenden Gleichartigen.
Die bereits erwähnten Wolken, die vom Rila-Gebirge herüberschwappten machten es nun spannend, wobei der Puls nicht wirklich in die Höhe stieg, denn es war ja keine Henschel im Anmarsch und ich hatte es innerlich schon mit mir verabredet, insbesondere dieses Motiv noch einmal mit Henschel umzusetzen. Aber dennoch, was man hat, hat man und glücklicherweise hatte ich es erst einmal.


Einfach ein schöner Blick auf Haltepunkt, Ort und die umgebenden Berge – Yurokovo

Ich nahm den Zug dann noch einmal an der schon gesehenen Straßenbrücke kurz vor Raslog auf, aber das haben wir ja schon gesehen. Zwischen General Kovachev und Gulinya Banja verläuft die Strecke wieder ansteigend entlang der Straße. Im Gegensatz zur Chepino-Schlucht war es hier aber nun schon bei vielen Blicken fast zu spät.
Für diesen Tag sollte es das gewesen sein. Auf ein Foto des „Vectrons“ mit dem Abendzug von Dobrinishte zurück nach Septemvri im Abendlicht verzichtete ich zugunsten eines leckeren Abendessens in der Gaststätte nahe unserem Ferienressort, die heute zum Freitag viel Gegrilltes im Angebot hatten.


Samstag, 22.07.2023

Die Wetterfrösche sagten für heute noch einmal etwas höhere Temperaturen als die vergangenen Tage voraus. Die Tage danach sollte es daraufhin etwas kühler, sprich unter 35°C bleiben, woraufhin wieder sehr heiße Tage folgen. Dies im Hinterkopf und der Nähe zu Griechenland verabredeten wir schon am Vorabend einen Ausflug zum Meer, denn die griechische Grenze war von unserem Aufenthaltsort nur ein wenig mehr als eine Fahrstunde entfernt und von dort wäre es auch nicht mehr weit bis zur Ägäis. Aber der Morgen bot natürlich noch etwas Luft für Eisenbahnfotografie. Ich fasse mich kurz, es wurde das gleiche Programm wie am Vortag abgespult, nur diesmal mit Henschel. Das Gefühl der Wiederholung verstärkte sich noch, als ich in Belitsa die gleiche Poilzeistreife wie am Vortag erblickte und auch der gleiche Beamte entspannt am Kaffee nippte, während sein Kollege die Kelle schwang.


Wieder Belitsa und das Pirinpanorama am Morgen, links die Holzkonstruktion des bei der lokalen Polizeidirektion beliebten Cafés


Yurokovo hat auch am Morgen etwas zu bieten. Ganz schwach erhebt sich über dem Zug der Wichren.


Ab Cherna Mesta geht es steil bergauf nach Avramovo. Um das zu bewerkstelligen gibt es sowohl vor als auch nach dieser Straßenbrücke einen Kehrtunnel


Wie bei so vielen Nebenbahnen liegen auch bei der Rhodopenbahn die Ortschaften mitunter weit entfernt von den Bahnhöfen. So auch der Haltepunkt Smolevo, dessen Ortskern sich oben auf den Hügeln befindet und von 75 005 ohne Halt durchfahren wird.


Und schon sind wir wieder am höchsten Punkt angelangt. Diesmal aus etwas klassischerer Perspektive, aber die schönen gelben Blüten mussten mit ins Bild.

Von Avramovo ging es in entspannter Fahrt heimwärts. Die Familie hatte sich doch tatsächlich schon aus den Betten geschält, naja so halb. Es folgte ein entspanntes Terrassenfrühstück und danach saßen wir auch schon im Auto gen Süden. Die Fahrt verlief im Großen und Ganzen ereignislos, was nicht das schlechteste Prädikat ist. In Gotse Deltshev, nicht weit vor der Grenze entfernt überquerte während wir tankten eine Kuhherde die Straße, ein schönes Schauspiel. Auch der Grenzübertritt ging ohne lange Wartezeiten vonstatten. In Griechenland fuhren wir zunächst durch eine ländliche Gegend bevor wir im schönen Ort Drama eine Lektion in griechischer Verkehrsordnung erhielten. Die da hieß, es gibt keine Ordnung. Jeder fuhr irgendwie eine Geschwindigkeit, die ihm oder ihr gerade passte. Ampeln wurden zwar beachtet, aber es gab nicht so viele davon. Und Verkehrsschilder, die den Verkehr regeln, waren irgendwie auch rar gesät. Meine zurückhaltende Fahrweise sollte sich auf der Rückfahrt genau in diesem Abschnitt noch auszahlen, denn am Abend postierten sich mehrere Streifen und nahmen mit Radarpistolen die Raser ins Visier.
In Drama überquerten wir auch die Eisenbahnstrecke nach Alexandroupoli, auf welcher aber nach dem verheerenden Eisenbahnunglück im März laut website der Verkehr ruht. Die Oberflächen waren blank, also schien zumindest ab und zu etwas zu fahren, aber das können ja Überführungen oder sonstiges gewesen sein. Egal, denn der Fokus heute lag nicht mehr auf Fotografie, sondern auf Baden im Meer, was bedeutete, dass eine geeignete Badestelle gefunden werden musste. Nicht einfach, denn schon bei der Hinfahrt fiel auf, dass sich viele bulgarische Kennzeichen um uns bewegten. Logisch, denn vom östlichen Bulgarien aus stellt die Ägäis den kürzesten und schnellsten Weg zum Meer dar Und wenn die Berliner am Wochenende zwei Stunden zur Ostsee fahren, warum also nicht auch die gleiche Zeit bis zum Mittelmeer. Beeindruckend war die Anfahrt, denn nachdem man die ganze Zeit nichts vom Wasser sah, offenbarte es sich kurz vor unserem Ziel Kavala nach der Überquerung eines Bergrückens eindrucksvoll mit Blick auf Stadt und die Insel Thasos. Ein paar Kilometer weiter westlich fanden wir einen netten kleinen Strandabschnitt, der zwar auch gut bevölkert war, aber bei weitem nicht überfüllt.


Sommeridylle in Griechenland, nur das Wasser hätte mit 28°C etwas erfrischender sein können

Nach mehreren Badesessions enterten wir die direkt am Strand liegende Gastronomie zu einem zeitigen Abendessen, nein es gibt kein food porn. Vor unserer Heimfahrt tätigten wir in einem lokalen Lebensmittelgeschäft noch ein paar Einkäufe, morgen ist ja Sonntag. Und dann befanden wir uns schon wieder auf dem Heimweg. Hatte ich schon erwähnt, dass die Temperatur insbesondere in der entfernt vom Meer liegenden Region um Drama auf der Hinfahrt mehr als 40°C betrug? Egal, denn diese Temperaturen waren ja ausschlaggebend für unsere Wahl heute keine unbeträchtliche Zeit im klimatisierten Auto zu verbringen. Nachdem wir Griechenland ohne große Grenzkomplikationen verließen, fuhren wir ohne große Verzögerungen durch die Dunkelheit, die hier deutlich schneller eintritt als in unseren Breiten zu unserem Domizil in Dobrinishte. Der Abendzug war natürlich schon längst angekommen. Ein kurzer Abendspaziergang zu diesem offenbarte aber, dass die Lok die Nacht nicht in Dobrinishte verbringt, denn dort befand sich lediglich der Wagenpark.


Abendlicher Blick auf die Hafenstadt Kavala


Sonntag 23.07.2023

Nachdem wir gestern erst recht spät wieder die Betten erreichten, sollte es heute etwas ruhiger angegangen werden. Das galt nicht für den fotografierenden Vater, der nun die Chance sah das morgendliche Motiv am Bü vor Dobrinishte umzusetzen. Gedacht, getan. Der Zug rollte laut Webradar pünktlich. Was stand dem also im Wege? Nix!


Mit Zug wirkt der Ausblick auf die höchsten Berge des Prins, ganz links der 2914 Meter hohe Wichren, daneben Kotelo 1 und 2, weniger spektakulär als erhofft. 75 005 erreicht mit dem vor mehr als 5 Stunden in Septemvri gestarteten PW 16101 gleich den Zielort Dobrinishte

Wie bereits erwähnt, macht die Garnitur keine große Pause in Dobrinishte, sondern übernimmt den Einleger nach Raslog und zurück, der zwar aus dem Licht kommt, mir aber trotzdem einen Stopp im Bahnhof Bansko wert war. Aber ganz so einfach war es dann doch nicht, die Masten, ein Schwellenstapel an suboptimaler Position und die Unentschlossenheit des Fotografen, das geht die nächsten Tage bestimmt nochmal besser.


Obwohl die Bahnhöfe der Rhodopenbahn in der Regel recht intakt daherkommen, gibt es auch hier viele nicht mehr genutzte Anlagen, wie die Drehscheibe in Bansko

Danach gab es noch einen Stopp zur Brötchenversorgung und dann wieder heim. Aber die Familie hatte sich noch nicht wirklich aus den Betten geschält. Der einzig geplante Programmpunkt heute war eine Mitfahrt. Ich konnte die Familie nicht bewegen ein größeres Stück mitzufahren, denn Temperaturen von jetzt schon wieder mehr als 30°C und unklimatisierte Wagen waren keine Pro-Argumente für längere Bahnfahren. Wir einigten uns auf eine Fahrt von Avramovo nach Velingrad, dort den Konsum einer Tiefkühlspeise und wieder zurück. Die Version brachte auch den Vorteil mit sich, ab Velingrad mit dem Nachmittagszug zu fahren und, sofern dieser eine Henschel vorne hätte, noch die Must-Haves in Cherna Mesta und Yurokovo umsetzen zu können. Apropos Must Have, ein solches war auch mindestens ein Foto mit Formsignal, wovon es bei der Rhodopenbahn noch einige gibt, aber selten ein wirkliches Motiv darstellen, da sie oft in dicht bewachsenen Abschnitten liegen. Auch das ESig von Raslog könnte besser liegen und vom Sonnenstand wäre ein späterer Zug oder eine andere Jahreszeit ebenfalls günstiger. Aber zu Dokumentationszwecken reichte es.


Den Zug hatten wir schon einmal vor ein paar Tagen, der Einleger von Raslog zurück nach Dobrinishte mit dem Einfahrsignal des Startbahnhofs und den Bergen des Rila im Hintergrund.

In Avramovo angekommen begeisterten die liebevoll, gepflegte Bahnanlagen mit vielen Elementen in Landesfarben, wie die zu Blumenkübeln umfunktionierten Traktorreifen, auf weniger Gegenliebe stieß die Toilettenanlage mit mittelalterlicher Technologie.


Insbesondere am Bahnhof Avramovo merkt man, dass dem Bahnhofspersonal der Rhodopenbahn aufgrund der wenigen Züge viel Zeit für die Pflege der Anlagen zur Verfügung steht.


Der Fahrplan, vom beschleunigten Zugpaar 1661/1662, wo nur an den größeren Unterwegsstationen gehalten wird, ist lediglich Zug 1662 rot hervorgehoben

Der Zug war recht gut gefüllt, aber wir konnten im letzten Wagen eine Vierergruppe ergattern. Tickets gab es im Zug. Hin und zurück hat für uns die 10 Euro Marke nur knapp überschritten. Etwas schade am Platz im letzten Wagen war der Umstand, dass man die Lok kaum gesehen hat, trotz der vielen Kehren und Kurven. Das lag vor allem an der dichten Vegetation, die schon fast an einen Dschungel erinnerte. Nicht selten schliff der Zug an Ästen und Büschen entlang und einmal habe ich auch aufgrund von Unachtsamkeit beim Hinausschauen einen Schlag ins Gesicht inklusive schönem Kratzer an der Nase abbekommen. In Tsvetino erfolgte die Kreuzung mit einem dem Einleger nach Avramovo. Diesem war wieder der Rhodopenvectron vorgespannt, wobei ich erst später merkte, dass es sich gar nicht um 77 002 handelte, sondern um die Nummer 009. Ich ging bis jetzt nur von einer modernisierten Maschine aus. Dieser Zug hatte sogar einen Bistrowagen eingereiht. In Velingrad gab es in Bahnhofsnähe ein Eis. Da unser Zug mit etwas Verspätung eintraf, blieb gar nicht so viel Zeit bis zur Rückreise übrig, aber für große Aufenthalte draußen war es ohnehin zu heiß. Die Rückfahrt verbrachte ich fast durchgängig am Fenster des zweiten Wagens und genoss die Geräusche der nun bergwärts fahrenden Maschine


Erfreulicherweise fuhr eine Henschel mit PW 16015 nach Dobrinishte in Velingrad ein. Rechts die abgestellten Güterwagen


Vom Empfangsgebäude des Haltepunkts Ostrec ist nicht mehr viel übrig


Kurz vor Tsvetino

In Avramovo entstiegen wir dem Zug. Bevor wir allerdings die „Verfolgung“ des Zuges aufnahmen, wurde an einem der zahlreichen Honigstände, die sich zwischen Cherna Mesta und Avramovo an den Straßenrändern finden und dem Alter der Verkäuferinnen zufolge dem Zuverdienst zur spärlichen Rente zu dienen scheint, gestoppt. Ohne Stress gab es dann Fotos in Smolevo, Cherna Mesta, Yurokovo, Belitsa und schlussendlich nochmal am Straßenbrückenmotiv kurz vor Raslog.


Im Tal der jungen Mesta zieren Moscheen einige Dörfer, aber keine kommt der Bahn so nahe wie diejenige in Cherna Mesta.


Belitsa und seine Storchenfamilie aus der Nachmittagsperspektive zeigt, dass die Motive trotz der Schönwetterlage nicht einfach so auf den Chip wandern, sondern dass bei jedem Foto ein Wolkenschaden buchstäblich in der Luft lag.

Ich startete dann abends nochmal für ein Foto der Rückleistung nach Dobrinishte am bereits gezeigten Bü kurz vor Bansko, wobei ich auf der Rückfahrt Bekanntschaft mit einer Polizeikontrolle machte. Eine andere, als die bekannte Morgenstreife am Bahnhof Belitsa. Blöderweise hatte ich natürlich jetzt keine Papiere dabei, sondern das Portmonee im Feriendomizil gelassen, womit auch ein evtl. sofort zu entrichtendes „Handgeld“ keine Option darstellte. Der Beamte war nicht erfreut, sprach aber glücklicherweise ein wenig English und offensichtlich machte meine hemdsärmelige Erscheinung mit dem Fotoapparat auf dem Beifahrersitz eine plausible Erscheinung, denn er ließ mich mach meiner Erklärung, nur mal schnell auf ein Foto nochmal losgefahren zu sein ohne weiteres ziehen. Eine andere ungewohnte Begegnung war ein großes Wolkenfeld, dass plötzlich von Westen hereinzog und tatsächlich ein paar Tropfen Regen auf die Erde niederließ. Es waren aber wirklich nur einzelne Tropfen und das Feld war auch ganz schnell wieder in Richtung Pirin verschwunden.
Der Tag endete mit einem leckeren Abendessen auf der Terrasse und noch ein paar Bewegtbilder.

Noch ein kompletter Tag am Fuße des Pirins liegt vor uns, danach wechseln wir nicht das Land, aber das Gebirge. Das alles gibt es dann im nächsten Teil.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Björn