Hallo,

bereits seit knapp anderthalb Wochen weilen wir im Südosten Europas und haben schon viel Schweißtropfen vergossen.

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Montag, 24.07.2023

Der Tag begann wie viele Tag mit dem Morgenzug nach Septemvri. In Belitsa hatte ich kurz nach dem Bahnhof noch einen Blick mit einer anderen Storchenfamilie entdeckt, aber vor Ort angekommen merkte ich, dass das im Vorbeifahren aus dem Auto ein wenig schöner aussah, als dann direkt vor Ort, insbesondere was den Streckenrandbewuchs anging. Ich hätte jetzt wieder nach vorne zum Bahnhof wechseln können, aber das hatte ich ja nun zur Genüge. Außerdem erschien auch schon die orangefarbene Weste des Schrankenwärters. Übrigens stand auch heute wieder die gleiche Polizeistreife am Café am Bahnhof. Mit dieser Vorhersehbarkeit macht man es ordnungswidrigen Zeitgenossen einfach, obwohl ich ja gestern Abend am eigenen Leib gemerkt hatte, wie schnell man plötzlich ordnungswidrig wird. Ich fuhr dem Zug noch ein wenig hinterher und es gab noch zwei Fotos vor und nach Dagonovo.


Auch sie gehören zum Bild zahlreicher Balkanortschaften – unfertige Rohbauten, deren Bauzeit sich wahrscheinlich über viele Jahre erstreckt, sofern sie nicht zur Ruine werden. Ruinös war auch der Auslösezeitpunkt beim bekannten Morgenzug nach Septemvri.

Den Zug verfolgte ich nicht weiter, denn zum trübte der morgendliche Dunst die Sonnenstrahlen heute noch etwas mehr als die vergangenen Tage, zum anderen wollte ich nochmal ein Gegenlichtbild des Raslog-Einlegers im Bahnhof Bansko probieren. Und der startet ja bereits 08:00 Uhr in Dobrinishte.


Diesmal passte das mit der Anordnung der ganzen Elemente schon etwas besser, ist halt trotz der weiträumigen Anlagen wenig Platz im Bahnhof Bansko.

Danach gab es den obligatorischen Brötchenkauf und Frühstück, aber irgendwie konnte ich das nicht so genießen. Bereits am Vortag klagte ein Teil der Familie über wenig Unwohlsein und heute hatte es auch mich erwischt. Ich will das nicht näher ausbreiten, aber sagen wir so, an Toilettenpapier mangelte es glücklicherweise nicht. Nach dem Genuss ein paar Tees und dem fulminanten Spiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM (wer hätte gedacht, dass die Frauen inzwischen genauso grandios scheitern, wie die Männer) ging es jedoch schon deutlich besser. Nur war es jetzt wieder ziemlich heiß und so einigten wir uns auf einen kleinen Spaziergang am späten Nachmittag. Aus dem reinen Spaziergang wurde dann aber doch ein kleiner Autoausflug, denn unser Ziel lag an den Hängen des Pirins und das hätte bedeutet, mindestens zwei Kilometer über freies Geläuf auf der Hochebene durch die pralle Sonne laufen zu müssen. Und kurz vor 16 Uhr zeigte das Thermometer und man bedenke, dass wir uns auf fast 1000 Meter Meereshöhe befinden 35°C an. So fuhren wir ein kurzes Stück bis an die bewaldeten Hänge der Berge und tauchten dann per Fuß in den Schatten ein. Wieder einmal merkte ich, dass abseits der größeren Straßen und der Dörfer die in den Karten verzeichneten Straßen nur noch aus Schotter, Sand und Steinen bestehen und tlw. große Furchen aufweisen. Durch die Trockenheit ließ sich das noch halbwegs fahren. Bei Regen und Schlamm hätte unser Familienkombi schon weit eher kapituliert.
Wir liefen ein paar Kilometer hinauf zur kleinen Kapelle Sankt Nikola (oder Nikolaus), was ein paar schöne Blicke auf die Hochebene und die umgebenden Gebirge beinhaltete. Bei besserem Lichtstand könnte man von hier auch die Rhodopenbahn ins Visier nehmen, beim Abendzug nach Septemvri blickte man nur auf die Schattenseite.


Blick von einem Einschnitt, der auch einen kleinen aber feinen Wasserfall bereithält, auf Dobrinishte und die sich dahinter erhebenden Rhodopen.


Nach den größeren Überlandstraßen und den kleineren Straßen in den Ortschaften kommen in der Kartenhierarchie schon diese Straßen. Könnte auch irgendwo in der Steppe sein. P.S.: Ja, es müsste mal wieder Staub gewischt werden :-)

Die Bewegung war gesundheitsförderlich und ich fühlte mich bereit für ein leckeres Abendessen. Traditionell besuchen wir am letzten Tag des Urlaubs noch einmal eine Gastwirtschaft und lassen es uns gut gehen. Nun war heute nicht der letzte Abend des Urlaubs, aber mit dem Ende des Aufenthalts in Dobrinishte, der ja so etwas wie den Kern des Urlaubs darstellte und in etwa zeitlicher Halbzeit standen genug Gründe für den Besuch einer Gastwirtschaft zur Verfügung und so suchten wir die schon bei einigen Spaziergängen ins Auge gefallene „Makedonska Kruchma“ auf, die vor allem einen sehr schönen Außenbereich aufwies. Das Essen war super und extrem reichhaltig, ich verzichte weiterhin auf Food Porn. Meine gastroenterologischen Befindlichkeiten stellte ich auch erstmal hinten an (buchstäblich =) und wir genossen einen sehr schönen Abend, der sogar noch mit ein wenig regionaler Musikkultur veredelt wurde.


Dienstag, 25.07.2023

Trotz des reichhaltigen Abendmahls und der noch nicht überwundenen Magen-Darm-Problematik habe ich hervorragend geschlafen, wozu womöglich auch der zum Abschluss servierte Rakija seinen Beitrag leistete. In jedem Fall fühlte ich mich gestärkt, um noch einmal ein Foto des „Nachtzuges“ nach Dobrinishte anzufertigen. Ausgeschaut hatte ich mir den Bahnhof Bansko, aber die Bedingungen vor Ort ließen eher wieder Bauchgrummeln verursachen. Erstens war es heute extrem dunstig, laut Wetterbericht stünden uns nun auch die mit Abstand heißesten und vor allem luftfeuchtesten Tage bevor mit Spitzentemperaturen über 40°C. Zweitens konnte ich auch in die andere Richtung in Bansko auch heute wieder keine zufriedenstellende Lücke zwischen Masten, Fahnen, EG und dem ganzen Kram links und rechts der Schiene finden. Und die Schatten ragten auch deutlich weiter und vor allem an ungünstiger Stelle hinein als zu dieser Jahreszeit erwartet.


Auch aus der anderen Richtung schwierig – Bansko mit 75 005 und dem Nachtzug nach Dobrinishte

Es gab dann nochmal ein Bild am kleinen Bü vor Dobrinishte, aber das habe ich ja bereits gezeigt. Nun stand Frühstück und Zusammenpacken an und danach verabschiedeten wir uns von unserem Quartier und der Hochebene. Und somit auch von zumindest nachts noch halbwegs erträglichen Temperaturen. Die letzten beiden Tage waren ja auch hier oben schon ziemlich heiß, aber die nächsten Tage sollte darauf nochmal eine ordentliche Schippe gelegt werden. Wohin wir fahren, darüber habe ich noch kein Wort verloren. Nach 7 Tagen Rhodopen, Rila und Pirin waren wir der Berge noch nicht überdrüssig und da ich das vorab ahnte, hatte ich noch drei Nächte am Fuß des Balkangebirges nahe der Stadt Trojan gebucht. Neben Wandermöglichkeiten sollte die Stadt laut vagonweb zudem mit Dieselloks im Personenverkehr angefahren werden. Und auf dem Weg dorthin könnte man vielleicht auch nochmal einen Zwischenstopp an einer E-Piste einlegen. Aber zunächst einmal gab es am Friedhof von Yakoruda noch ein Abschiedsbild der Rhodopenbahn, weil es ohne großen Zeitverlust möglich war.


Tschüss Rhodopenbahn! Wir sehen noch einmal den Vormittagszug nach Septemvri, hinter der Lok übrigens einer der, wenig gesehenen, Wagen mit Werbung für die lokale Biermarke Pirinsko, die meine Kehle auch mehrmals gekühlt hat.

Hinter Velingrad fuhren wir nicht den direkten Weg parallel zur Bahn nach Septemvri, sondern zweigten nahe des Bahnhofs Kostandovo von der Hauptstraße ab und verblieben auf der Ebene um Velingrad. Grund hierfür waren die Außentemperaturen, die die 35°C-Marke schon länger überschritten hatten und Kurs auf die 40°C-Marke nahmen. Ein großer See namens Batak Reservoir versprach nasse Abkühlung, aber dort angekommen, mussten wir feststellen, dass es direkt am Ufer kaum Bewuchs gab und in der Sonne brutzeln lag uns fern. Aber wie ich schon einmal schrieb, kein Nachteil ohne Vorteil. Der andere Weg hinab in Richtung Plowdiw überraschte uns mit der Tropfsteinhöhle Sneshanka, die wir kurzerhand aufsuchten und bei diesen Bedingungen ohnehin das geeignetere Ziel darstellte. Denn, nachdem man erstmal die abenteuerliche, unbefestigte Straße bis zum Parkplatz und dann noch ein paar Höhenmeter zu Fuß, aber immerhin im Schatten, überwunden hatte, wartete die kleine Tropfsteinhöhle mit einer Temperatur von 8°C, schon fast zu kalt.


Nicht zu vergleichen mit Postojna, aber einen Besuch wert – die Tropfsteinhöhle Sneshanka

Ein wenig schade war der Umstand, dass der kleine Imbiss am Parkplatz, der schön im Schatten lag, geschlossen hatte, aber wir hatten genug Proviant mit und ohnehin noch ein gutes Stück Fahrt vor uns. Diese führte uns zuerst durch die Ebene bei Plowdiw. Hier war plötzlich die Vegetation gänzlich anders, als noch in den Bergen. Viel weniger Grün, dafür mehr sandige Töne. Man konnte die Hitze förmlich spüren und tatsächlich, das Außenthermometer zeigte 41°C an. Nach einem kurzen Stück Autobahn schwenkten wir bei Plowdiw in nördliche Richtung. Dabei sank die Temperatur wieder auf 39°C, nur um bei Karlovo, hier befinden wir uns schon an der Südflanke des Balkangebirges wieder die 40°C zu erreichen. Hier hatte ich mir noch einen Stopp ausgeguckt, denn entlang des Gebirges verläuft die elektrifizierte und meist eingleisige Strecke von Sofia nach Dabovo, die neben der bereits gesehenen Strecke über Plowdiw und der nördlichen Route über Plewen eine der drei Ost-West-Magistralen von Sofia in Richtung Schwarzes Meer. Magistrale ist bei dem spärlichen Zugangebot vielleicht etwas hoch gegriffen. Zwei Westfahrer innerhalb einer knappen Stunde und mit etwas Glück etwas Güterverkehr dazwischen versprachen Ausbeute. Dass hier vielleicht etwas mehr Güterverkehr rollt, ist einer Kupferhütte im etwas weiter westlich gelegenen Pirdop zu verdanken. Also musste nur eine Stelle samt Möglichkeit, im Schatten zu verweilen gefunden werden. Das gestaltete sich schwieriger als gedacht, denn m Bereich Klissura/Anton, wo die Strecke aufwändig mit Brücken und Kehren trassiert ist, schwebte einiges an Schleier am Himmel. Ich hatte inzwischen fast vergessen, wie so etwas ausschaut. Das war insofern wichtig, da es durch die hohen Temperaturen ohnehin schon sehr dunstig war. Kurzfristig wurde umgeswitcht und ich schaute mal beim Bahnhof Hristo Danovo. Da wir den eigentlichen Abzweig schon passiert hatten, führte der Weg über eine sehr sandige und gefurchte Piste. Hier angekommen musste ich mehrere Enttäuschungen konstatieren. Es gab nur geeignete Schattenplätze, die Strecke war stark von Bewuchs gesäumt und der zweite Westfahrer, ein Schnellzug aus Burgas, war mit großer Verspätung im Zugradar, sodass dieser nicht mehr im persönlich gesetzten Zeitlimit erscheinen würde. Der andere Zug war ein Bummelzug, der erst in Karlovo starten sollte und daher hoffentlich pünktlich sein würde. Denkste, denn von Westen war ein verspäteter Regio im Anmarsch, der wohl in Karlovo auf „meinen“ Zug wenden würde. Diesen galt es jetzt erstmal zu notverarzten. Der Bahnhof sagte mir nicht so zu, also fuhr ich ein paar Meter weiter an den Bü nach Karnare. Aber besser war es dort auch nicht.


Hinter 44 078 hängt der nur aus einem Wagen bestehende PW 30113 von Sofia-Sever nach Karlovo und erheben sich die Berge des Balkangebirges, hinter denen sich unser nächstes Feriendomizil befindet.

Da der Zug wie bereits erwähnt in Karlovo wendet und dann wieder zurückfährt, wurde kurz mit der Familie über das gemeinsame Warten auf diese Leistung verhandelt. Bedingung war natürlich nach wie vor ein Schattenplatz zum Warten. Und ich musste erstmal ein Motiv finden. Weit weg wollte ich nicht fahren, denn die Passstraße nach Trojan über das Balkangebirge zweigt hier ab. Ein kleiner Bü östlich Karnare brachte keinen Erfolg, aber wieder zurück in Richtung Bahnhof Hristo Danovo entdeckte ich die Reste einer alten Brücke über die Strecke, die einen Standort bieten könnte und nicht weit von dort gab es auch einen kleinen Feldweg mit einem Schattenplatz. Leider kam es nun aber zu einer unerfreulichen Begegnung. Bereits bei der ersten Durchfahrt durch Karnare stellte ich am westlichen Ortsausgang eine Siedlung sehr baufällig aussehender, etwa die Größe einer Gartenlaube aufweisender Häuser ohne Fenster und tlw. ohne Türen. Bei der zweiten Vorbeifahrt zum Bü vom letzten Bild realisierte ich, dass diese bewohnt sind, wozu vor allem die Satellitenschüsseln beitrugen. Als wir nun nicht weit von der Siedlung entfernt unseren Schattenplatz eingenommen haben, hielt ein paar Meter von uns entfernt plötzlich ein alter VW Polo mit drei Männern, die man auch gut in einem Krimi oder Thriller über organisierte Kriminalität als Schläger oder Schergen hätte besetzen können. Nicht, dass sie etwas gemacht hätten. Sie parkten einfach nur und starrten uns an. Mir wurde ein wenig, dem Rest der Familie aber sehr mulmig und mir war klar, dass hier nun nicht auf den Zug gewartet werden konnte. Also fuhr ich wieder los und erwartete nun schon ein Manöver um uns den Weg zu versperren, aber nichts dergleichen. Dafür drehten Sie kurz hinter uns um und folgten uns ein Stück. Das war für mich dann das Signal, nun sofort den Pass anzusteuern und daraufhin drehten sie auch um und fuhren wahrscheinlich in ihre (Roma?-)Siedlung zurück. Ich muss gestehen, dass das das erste Mal war, dass ich im Ausland kurz darüber nachdachte evtl. Opfer von Kriminalität zu werden. Bei allen Reisen nach Ost- oder Südeuropa habe ich so etwas noch nie erlebt und ich hoffe, es wird ein Einzelfall bleiben. Weniger unangenehm, sogar sehr schön gestaltete sich die Fahrt über den Pass nach Trojan, die viele Parkbuchten mit schönen Ausblicken bereithielten, wovon wir eine direkt zur Abendbrotpause nutzten. Oben auf dem 1525 Meter hohen Trojanpass befindet sich das ziemlich imposante, als großer Bogen ausgeführte Freiheitsmonument, das an die Freiheitskämpfe der Bulgaren gegen die Osmanen vor mehr als 200 Jahren erinnern soll. Blöderweise habe ich es versäumt ein Bild zu machen, da wir, gebeutelt von der Hitze doch schnell hinab zur Unterkunft wollten. Und das war im Nachhinein auch richtig, denn hier gab es das erste Mal während der Reise Verständigungsschwierigkeiten, da das den „Kompleks Antik“ betreibende Ehepaar kein Englisch sprach und unser Bulgarisch in der vergangenen Woche nicht über Grußformeln und Essensbezeichnungen hinauswuchs. Aber dank Smartphone und Zuhilfenahme der Extremitäten waren auch da bald alle Unklarheiten beseitigt.


Blick von der Auffahrt zum Trojanpass hinab nach Hristo Danovo. Man erkennt die Bahnstrecke und bei genauerer Betrachtung sogar einen Kesselwagenzug im Bogen rechts oberhalb des Ortes.


Was gibt es Schöneres als ein leckeres Abendessen mit diesem Ausblick kurz vor der Passhöhe? Das Ganze bei weniger als 38°C.


Mittwoch 26.07.2023

Die Nacht war dank der installierten Klimaanlage angenehm. Heute sollte der heißeste Tag des Urlaubs werden mit gemeldeten Temperaturen bis 42°C, selbst hier in den Nordhängen des Balkangebirges. Und das wurde einem bereits kurz nach dem Aufstehen vor Augen geführt. Im nicht klimatisierten Badezimmer vermutete ich erst, dass jemand gestern Abend nach dem Duschen vergessen hatte, das Fenster zu öffnen, aber der Kontrollblick verriet ein geöffnetes Fenster. Dennoch fühlte es sich so an, als hätten gerade vier Personen nacheinander in einem kleinen unbelüfteten Raum mit viel zu heißem Wasser geduscht. Und der Blick auf das Temperaturanzeige des Pkws offenbarte mehr als tropische 29°C kurz vor halb Acht. Und bis jetzt hatte sich noch kein einziger Sonnenstrahl auf das von Bergen umschlossene Hotelareal verirrt.
Warum das zeitige Aufstehen? Nun, ich hatte ja bereits erwähnt, dass Trojan laut vagonweb und einem gesehenen Reisebericht zufolge mit lokbespannten Zügen angefahren wird. Konkret handelt es sich dabei um eine Mittelstandslokomotive der Baureihe 55 samt einem einzelnen Wagen. Zumindest sollte es so sein. Motive hatte ich mir aufgrund der späten Ankunft gestern nicht groß ausgeschaut, aber von einem Reisebericht wusste ich, dass es am Ortsausgang von Trojan eine unspektakuläre Stelle geben dürfte und da der Zug in Trojan wendet und nicht gerade mit hoher Geschwindigkeit besticht, sollte für die Rückleistung genug Zeit für die Motivsuche sein. Der Blick auf das Zugradar offenbarte, dass der Zug unterwegs ist, schon mal gut, aber mit etwas Verspätung, also ließ ich es ruhig angehen. Fast zu ruhig, denn ich musste einmal durch Trojan durch und mit derart viel Verkehr, dass es bei jeder Kreuzung stockte, hatte ich bei einer 20.000-Einwohner Stadt nicht gerechnet. Ich kam aber noch vor dem Zug an und freute mich, dass mir das Motiv besser gefiel als erwartet mit den Ausläufern des Balkangebirges im Hintergrund und einem Sonnenblumenfeld am Bildrand. Das war es dann aber auch mit den positiven Überraschungen. Statt der erwarteten Lok-Wagen-Garnitur betrat ein beschmierter Desiro die Bildfläche. Jackpot!


Da gibt es in Ostsachsen Werbe-Desiros, die sind deutlich unfotogener als 10 015, der als KPW 24221 von Lewski kommend gerade den Ortrand von Trojan erreicht.

Trotz der leichten Enttäuschung, dass keine 55er vor dem Zug war, ging ich auf die Suche nach einem Motiv für die Rückleistung nach Lewski. Ich fand dabei auch noch ein paar Stellen für den Nachmittagszug, schließlich stellt der Morgenzug nur eines von vier Zugpaaren dar. Allerdings blieb das Vorhaben unvollendet. Dank der kurzen Wende in Trojan musste ich nicht so lang in der inzwischen schier unerträglichen Schwüle warten. Der Bahnhof Ablanitsa bzw. das was davon übriggeblieben ist wurde auch gewählt, da man dort den Wagen im Schatten parken konnte.


Wahrscheinlich war es für die 55er, die schon bei deutlich niedrigeren Temperaturen Hitzeprobleme bekommen, zu warm. Nach kurzer Wende verlässt der Desiro wieder das Balkangebirge in Richtung Lewski.

Danach fuhr ich entspannt wieder zurück zur Unterkunft. Der Berufsverkehr hatte sich gelegt. Dennoch musste ich einmal stoppen, aber nur um ein paar Bilder der Stadt zu machen, die sicherlich keinen Ästhetikpreis gewinnen wird, aber doch viel typisches Lokalkolorit ausstrahlt.


Etwas weiter oben im Balkangebirge entspringt die durch Trojan fließende weiße Ossam, die sich später mit dem schwarzen Ossam verbindet und in die Donau mündet.


Viel sozialistisches Ambiente in Trojan

In der Unterkunft war die Familie inzwischen erwacht und wir genossen ein gleichermaßen entspanntes wie reichhaltiges Frühstück. Aufgrund der großen Hitze hielten sich die Vorhaben heute in Grenzen. Man könnte evtl. am Nachmittag nochmal über Aktivität beraten. Bis dahin hieß es die Vorzüge der Unterkunft genießen. Und damit meine ich nicht die Klimaanlage im Zimmer, sondern die ausgedehnte Poolanlage, die wir einen Großteil der Zeit exklusiv für uns hatten. Um nochmal einen Eindruck von den Bedingungen zu vermitteln. Ich saß gemütlich mit einem kühlen Bier bei einem guten Buch im Schatten und konnte dennoch nicht die Transpiration verhindern. Jedoch, die Meteorologen versprachen einen Temperatursturz und wenn starke Hitze endet, dann geht dies meist mit einem Knall in Form von Blitz und Donner einher. Und tatsächlich verstärkten sich am Nachmittag die Wolken, was mich auch vom Nachmittagszug abhielt. Gleichzeitig nahm die Schwüle auch nochmal zu. Aber den ganzen Tag am Pool, das geht nicht. Vor allem, wenn Trojan mit einer Sehenswürdigkeit wie dem drittgrößten Kloster des Landes aufwartet.


Bei 40°C im Schatten bleibt einem nur Pool und ein kühler Drink.


Auch bei schwülwarmen Bedingungen einen Besuch wert – das Kloster Trojan


Ich weiß nicht warum oder wer der abgebildete Mann ist (so in etwa habe ich mir den Arzt in „Nachtzug nach Lissabon“ beim Lesen vorgestellt), aber die Bushaltestelle am Kloster hat mich total abgeholt. Leider nicht oft abgeholt wird in Bulgarien der Müll.

Die Wolken nahmen immer mehr zu und wieder am Hotel angekommen, schauten wir gespannt auf das Wetterradar und hofften auf ein gemütliches Abendessen in der Gaststube, während es draußen faucht und blitzt. Aber die Gewitter schienen alle weiter westlich festzuhängen. Kein Problem, denn so konnten wir nochmal den Abend und das Essen auf der Hotelterrasse genießen.


Donnerstag, 27.07.2023

Obwohl es keinen Niederschlag die Nacht gab, war es am morgen deutlich kälter, als die Tage zuvor. Beinahe herbstlich fühlte es sich an, als wir recht zeitig zum Frühstück gingen. Warum so zeitig. Die gemeldeten Temperaturen von maximal 25°C (brrrr.) bei gleichzeitigem Ausbleiben von Regen, veranlassten uns, den Botev ins Visier zu nehmen, dem mit 2376 Metern höchsten Gipfel des Balkangebirges. Und um die 1400 Höhenmeter bis zum Gipfel zu Fuß zurückzulegen sollte man nicht zu spät starten, vor allem da die Wanderung in Apriltsi am Fuß des Berges begann und es bis dahin noch einige Kilometer mit dem Auto waren. Die Wanderung war schön, aber anstrengend, denn die 1400 Höhenmeter waren auf nur 7 Wegkilometer verteilt, was einen ganz schön ins Schwitzen brachte. Über die Entscheidung, trotz 25°C im Tal eine dünne Strickjacke eingepackt zu haben, war ich sehr froh denn auf dem kahlen Gipfel blies bei nur noch 8°C ein stark böiger Wind, welcher durch den Chill-Faktor die Temperatur weiter auf gefühlte -3°C verringerte. Tatsächlich hatten wir am Gipfel Probleme noch halbwegs gerade zu stehen und Fotos blieben aufgrund klammer Finger Mangelware.


Der Gipfel des Botev hat mich an den Brocken erinnert und hinsichtlich rauer und unwirtlicher Bedingungen steht er ihm in nichts nach.

Knapp unterhalb des Gipfels gibt es ein paar Bungalow-ähnliche Gebäude, die wir nur als Windschutz aufsuchten, die aber überraschenderweise bewirtschaftet sind und auch zur Übernachtung genutzt werden können. Hier gab es eine kurze Einkehr zum Aufwärmen bevor wir uns wieder ins Tal stürzten und froh waren, wieder windgeschütztes Gelände erreicht zu haben.


Blick von der Nordwestseite des Botev über das Balkangebirge. Das viele Blau gab es erst zum späten Nachmittag und trotz der niedrigeren Temperaturen waren wir von guter Fernsicht noch ziemlich weit entfernt.


Aus dem Tal da unten kamen wir herauf und dort müssen wir auch wieder hin.

Der Abstieg zog sich. Man kam aufgrund der Steilheit und der vielen losen Steine und dann im Wald auch der vielen Wurzeln bei gleichzeitig einsetzender Dunkelheit wegen nicht schneller voran als bergauf. Das ursprünglich avisierte leckere Abendessen im Hotel würde wohl ausfallen und so shoppten wir in Trojan kurz vor Ladenschluss im Discounter noch etwas essbares und genossen dies bei bewegten Bildern und müden Beinen.


Damit schließen wir das Kapitel Bulgarien. Im nächsten und letzten Teil setzen wir unsere Reise im nördlichen Nachbarland Rumänien fort, wobei wir uns dabei im Grunde schon auf dem Rückweg befinden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit
Björn