Hallo,

hiermit möchte ich auf unseren diesjährigen Sommerurlaub zurückblicken, mit dem Fokus auf die Momente, in denen ich der Eisenbahnfotografie frönen konnte. Und dank des Wetters kamen in den etwas mehr als zwei Wochen doch einige zusammen. Aber selbstverständlich bleiben auch viele andere schöne Momente, die weniger mit dem Thema Eisenbahn zu tun haben, nicht unberücksichtigt.

Zur Wahl des Urlaubsziels, warum Südosteuropa. Die Antwort ist so simpel wie kurz. Weil wir dort noch nie waren. Ich könnte hier jetzt ausführlich von der schönen, weitläufigen Landschaft des Balkans erzählen, die Urigkeit der Rhodopenbahn betonen und die beinahe berüchtigte Gastfreundschaft und Freundlichkeit der Menschen anführen. Aber die Hauptmotivation speiste sich tatsächlich aus dem Umstand, dort noch nie gewesen zu sein. Und Eisenbahn gibt’s ja schließlich fast überall. Die Planung erfolgte daher durchaus unter dem Gesichtspunkt, die Eisenbahn in nicht allzu großer Entfernung zu haben. Im Kern bedeutete dies 7 Tage Ferienwohnung in Dobrinishte am Streckenendpunkt der Rhodopenbahn und am Fuße des Piringebirges. Auf der Hinfahrt sollte es ein wenig Serbien, auf der Rückfahrt noch ein wenig Rumänien sein. Und Ungarn bei beiden.

Zur Wahl des Fortbewegungsmittels. Selbstverfreilich wäre ich auch gerne mit der Bahn gereist, zumindest bis in etwa ins Zielgebiet und dann vielleicht mit Mietwagen, aber die dünnen Fahrpläne des Balkans, Baustellen und tlw. ziemlich miese und unsichere Anschlüsse machen das für Familien mit pubertierenden Kindern sehr, sehr schwierig. Man könnte natürlich einfach kürzere, sichere Touren fahren, aber dann würde man den ganzen Urlaub nur im Zug sitzen und so eisenbahnbegeistert ist der Rest der Familie dann wirklich nicht.

Teil I hier
Teil II [www.eisenbahnforumvogtland.de]
Teil III [www.eisenbahnforumvogtland.de]
Teil IV [www.eisenbahnforumvogtland.de]
Teil V [www.eisenbahnforumvogtland.de]


Sonntag, 16.07.2023

Heute stand die erste Etappe an und das sollte gleich die längste des Urlaubs sein. Da ich nicht der große Fan von Gewalttouren im Auto mit vierstelligen Tageskilometern bin, gab es eine Zwischenübernachtung in Ungarn in Kecskemét, etwa 45 Minuten vor der serbischen Grenze. Dass man, wenn man es darauf anlegt, an diesem Tag noch deutlich näher Richtung Bulgarien gekommen wäre, bewies unsere Ankunftszeit dort bereits gegen 16 Uhr, wobei wir noch in Ruhe gefrühstückt und Auto gepackt haben. Sonntagsbedingt kamen wir aber gut durch Prag und einziger Unterbrechung blieb ein kurzer Tankstopp vor der slowakischen Grenze. So konnte erstmal ein ganz besonderes Schmankerl des Hotels genutzt werden. Denn das verfügte über eine doch recht große Outdoor-Kartbahn.


Sicherlich nicht jederfraus Geschmack, aber durchaus sehr unterhaltsam – das GoKart Hotel in Kecskemét

Nach ein paar schnellen Runden auf dem Asphalt gönnte ich mir zunächst eine Dusche. Diese war auch zwingend notwendig, denn hier am Beginn der Puszta machten wir das erste Mal Bekanntschaft mit den Temperaturen, die uns die nächsten Tage erwarten würden. Die Celsiusmarke zeigte 37 an. Wobei auch in unserer Heimat die Tage vorher bereits Tageshöchsttemperaturen von deutlich mehr als 30°C herrschten, war dies hier nochmal eine deutliche Stufe heißer. Den abendlichen Ausflug an eine nahegelegene Eisenbahnstrecke ließ ich mir davon aber nicht nehmen. Ausgeguckt hatte ich mir dabei die Dieselstrecke von Kecskemét nach Budapest über Lajosmizse, wo ich laut kurzer Internetrecherche lokbespannte Züge vermutete.
Hier ein kurzer Einwurf, die Vorbereitung des Urlaubs hinsichtlich eisenbahnfotografischer Highlights fand de facto nicht statt. Natürlich befanden sich ein paar Motive der Rhodopenbahn im Hinterkopf, die ich unbedingt umsetzen wollte. Und ein Motiv in Serbien, aber dazu kommen wir später. Der Rest jedoch, wurde mehr oder weniger tagesaktuell recherchiert, was je nach Zeitkontigent besser oder schlechter gelang.
Die tagesaktuelle Recherche der diesen Abend anstehenden Zugbewegungen brachte zutage, dass alle Züge aus bzw. nach Budapest in Lajosmizse endeten bzw. begannen. Da waren wohl irgendwelche Bauarbeiten im Gange und das bedeutete eine etwas längere Anfahrt, aber Zeit war ja glücklicherweise dank der frühen Ankunft kein Problem, wenngleich die Sonne aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit immer mehr an Kraft verlor. Tatsächlich konnte man so sogar zwei Züge relativ kurz hintereinander ablichten. Ein Motiv hatte ich nicht im Auge, aber die Strecke verläuft ja durch die im Grunde komplett flache Puszta, da sollte man doch recht schnell etwas finden, oder? Falsch, es existierten nahezu keine freien Abschnitte, die Strecke verläuft ziemlich eingewachsen durch die Felder. Am Bahnhof von Táborfalva, einer der ersten größeren Orte nördlich von Lajosmizse passte es aber ganz gut. Leider war nun für Motivverfeinierung nicht genug Zeit. Zunächst wollte ich den Zug, aus was immer er bestehen mochte, einfach am Bahnsteig festhalten, eine erhöhte Laderampe bot sich dazu an. Von dort erkannte ich dann aber das alte kuk-Formsignal an der Einfahrt und da noch ein paar Minuten Zeit bis zur Ankunft vorhanden waren, fuhr ich die paar Meter vor zum Signal. Jedoch erschien der Zug deutlich vor Plan und für Standortoptimierung war keine Zeit, also einfach raus aus dem Auto und Klack.


Was passt besser zur Puszta als eine Puszta-Metro? 416 022 erreicht als Zug 2911 nach Budapest-Nyugati den Bahnhof Táborfalva.

Es gab dann dank der etwas längeren Haltezeit noch ein Foto im Bahnhof, allerdings warf ein Baum, wahrscheinlich eine Pappel, einen ziemlich langen Schatten. Für Gram keine Zeit, denn von Norden, aus dem Licht, rauschte der Zug aus Budapest heran. Wobei Rauschen für die Fortbewegung der Schienenfahrzeuge in diesem Streckenbereich sehr hochgegriffen ist. Etwas nördlich von Táborfalva gab es einen kleinen Bahnübergang, dem laut Satellitenbild ein freier Streckenabschnitt folgte. Aber auch hier obsiegte der Bewuchs, nur kurze Abschnitte waren halbwegs frei. Zudem ließ der Straßen-, bzw. Feldwegzustand keinerlei weitere Stellensuche zu. Große Furchen, loser Sand, keine Aussicht auf Wendemöglichkeit. Immerhin gab es zwei kleine Lücken, wo die Puszta-Metro hineinpasste. Lokbespannte Züge existieren anscheinend nur noch auf Flickr.


Auch der Gegenzug besteht nicht aus Lok und Wagen, sondern aus einem der Anfang des Jahrtausends von der russischen Firma Metrowagonmasch gebauten Dieseltriebwagen. Hier durchquert er als 2946 nach Lajosmizse die trockenen Puszta-Felder.

Tagwerk vollbracht, im Hotel wartete im klimatisierten Barbereich ein leckeres Abendessen und ein kühles Bierchen. Im Hotelzimmer wurde noch ein wenig das deutsche Fernsehprogramm gezappt, das würde man die nächsten Wochen ja auch nicht mehr sehen bzw. hören.


Montag, 17.07.2023

Der Wecker klingelte früh, aber nur kurz, schließlich wollte die Familie noch ein wenig weiterschlafen. Ich schlich mich also so leis wie möglich mit den Kamerautensilien aus dem Zimmer. Ein Procedere, das sich diesen Urlaub beinahe jeden Morgen wiederholte und ich nach vielen Jahren derartig gut beherrsche, dass sich kein Familienmitglied über morgendlichen Lärm mit Schlafverkürzung beschwerte.

Nachdem am gestrigen Abend die Dieselpiste in den Fokus rückte, sollte es heute mal an die elektrische Puszta-Piste gehen, auf der mit deutlich mehr Verkehr zu rechnen ist, schließlich wird über diese Strecke mit Szeged die drittgrößte Stadt des Landes an die Hauptstadt Budapest angebunden. Leider geizt auch diese Strecke mit Motiven, denn sie verläuft stets gesäumt von Hecken und Büschen durch die flache Landschaft. Große Ambitionen hatte ich vor dem Frühstück nicht, also klapperte ich einige Bü südlich von Kecskemét ab, ohne Erfolg. Ein Agrarweg wies derartig große und tiefe Senken auf, dass das Auto fast vollständig darin versank. Zudem war doch ziemlich starker Verkehr, insbesondere durch das große Mercedes-Werk. Da ich die Suche nicht ausdehnen wollte, bliebe ich am Haltepunkt Kunszállás. Einen ersten Zug südwärts hatte ich gerade verpasst, aber noch waren die Schatten der ganzen Büsche ohnehin zu hoch. Für den von Szeged kommenden Zug lief ich ein wenig einen bahnparallelen Feldweg hinein, der auch noch einen Hof anbindet und hoffte auf einen etwas freien Blick. Aber leider Fehlanzeige. So versuchte ich erst gar nicht dem Standort irgendetwas abzugewinnen oder meine Perspektive zu verändern, sondern nahm den Zug sozusagen „ungeschönt“ auf. Erfreulicherweise sind die IC zwischen Szeged und Budapest noch fest in der Hand der vormals als V43 bezeichneten Ganz-MÀVAG-Lokomotiven, ich befürchtete schon TRAXX.


In Deutschland war die 143 einmal die Universallok, in Ungarn ist’s die V43. Mit IC 707 rauscht 431 218 gleich durch den Haltepunkt Kunszállás. Längere freie Abschnitte sind in der Puszta Mangelware.

Der Zug kam auf dem Gegengleis, also zumindest, was man in Deutschland als Gegengleis bezeichnet. Wobei das auch das Regelgleis sein könnte. Darüber hatte ich mich im Vorfeld nicht schlau gemacht. Zudem überquerte ich bei einem der Bü vorher doch nur ein Gleis. Was war nun hier Sache, wobei ein Regionalzug aus Süden am Haltepunkt in etwa zur gleichen Zeit eintreffen würde, wie der IC nach Szeged, der zum Hauptmotiv avancierte, da ich definitiv nicht noch eine weitere Stunde warten wollte, es wartete ein Frühstück und einige Hundert Kilometer Fahrtstrecke. Ich schaute mir schon eine Position am Haltepunkt direkt am Bahnsteig aus, als plötzlich das Signal in Richtung Kecskemét auf grün schaltete. Okay, dann sollte auf diesem Gleis also nicht der avisierte Zug auftauchen. Ein kurzer Sprint zum Wetterschutzhäuschen und Aushangfahrplan brachten die Erkenntnis, dass es sich hier wohl gar nicht um einen zweigleisigen Abschnitt, sondern um ein langes Bahnhofsgleis handelt, denn alle Regionalzüge hielten nur nördlichen Bahnsteig. Während dieser Gedanken und Aktionen flimmerten in der Ferne die Lichter des nach Szeged fahrenden Zuges auf. Und glücklicherweise tat der Regiobummel, der als Puszta-Metro daherkam, mir den Gefallen, nicht pünktlich zu sein, denn sonst hätte er genau im Bild gestanden.


Eine schön bunte Wagenschlange hat 431 068 da als IC 702 nach Szeged am Haken, als sie ohne Halt durch Kunszállás brettert. Zwar gibt es auf der einen Seite ein gemauertes Wartehäuschen, Züge halten jedoch nur auf der Seite des Fotografen.

Das Frühstück war lecker, leider aufgrund des späten Zeitpunktes nicht mehr so reichhaltig, dass man sich guten Gewissens noch für die Fahrt eindecken konnte. Bis jetzt noch gar kein Kommentar zum Wetter. Es war schon früh drückend heiß, die Temperatur lag nach dem Frühstück schon ein gutes Stück oberhalb der 30°-Marke. Man brauchte also etwas kühlenden Fahrtwind, den ich samt Nachwuchs dann noch einmal bei einer Runde Kartfahren suchte, was zwar viel Spaß bereitete, aber eher noch zu mehr Transpiration führte.
Der Check-Out erfolgte problemlos und bald waren wir mittels der vielen mehrspurigen Kreisverkehre auf der Autobahn Richtung Szeged und serbischer Grenze, welche auch gleichzeitig eine EU-Außengrenze darstellte. Von den zu überquerenden Grenzen hatte ich im Vorfeld furchtbares gelesen, speziell von der Grenze zwischen Serbien und Bulgarien. Hier von Ungarn nach Serbien, von Rözske nach Horgoŝ hielt sich die Wartezeit aber in Grenzen. Aufgrund der erschreckenden Literatur hatte ich ein Offline-Entertainment-Programm für die Familie zusammengestellt. Aber das musste hier noch nicht in Anspruch genommen werden, denn es ging regelmäßig voran und nach einer knappen halben Stunde befuhren wir serbischen Grund.
Der weiteren Fahrt kann beinahe das Prädikat langweilig attestiert werden. Die pannonische Tiefebene hält außer endlosen Sonnenblumen- oder Maisfeldern nix nennenswertes bereit. Und dank der von Powerchina finanzierten Autobahnumgehung Belgrads, für alle Nutzer sichtbar an den Brücken markiert, und des wenigen Verkehrs erreichten wir bereits mitten am Nachmittag das Tagesziel in Niŝ. Vor der Einkehr in das Hotel verlangte aber das Vehikel noch nach einer Mahlzeit, verdienterweise, denn die letzte gab es zu Beginn der ersten Etappe zwei Tage zuvor. In Ungarn benötigten wir kein Bargeld, da wir dort alles mit Karte zahlen konnte. Dass das in Serbien nicht der Fall sein würde, wusste ich schon von der Hotelbuchung, in welcher auf die Barbezahlung hingewiesen wurde. Aber Geld wollte ich dann erst später holen und steuerte eine größere Tankstelle an der Autobahn an, wo man sicherlich mit Karte würde zahlen können. In der Tat waren an den Fenstern des Tankstellenshops allerhand Kartensymbole zu sehen. Leider meinte der Tankwart dann aber, dass das Kartengerät leider einen Defekt aufweist. Aber ich könnte natürlich auch in Euro bezahlen. Den Umrechnungskurs, den ich während des Tankvorgangs sicherheitshalber mal recherchierte, legte er aber doch etwas zu offensichtlich nach seinen Gunsten aus. Ich stutze nur kurz, zog mein Phone raus und musste noch nicht mal die Taschenrechner-App aktivieren, bevor er mir plötzlich 30 Euro entgegenkam. Das war zwar immer noch etwas mehr als bei einer korrekten Umrechnung, aber ich nahm das dann mal als Bearbeitungsgebühr hin. Nach Bezug des Zimmers im Hotel „Zen“, das dem Namen entsprechend mit allerlei asiatischen Zeichnungen, Skulpturen und sonstigen Dekoelementen versehen war, fuhren wir noch einmal in die Innenstadt. Offiziell natürlich, um Bargeld und Essbares zu beschaffen, inoffiziell ein Abstecher zum Bahnhof, an welchem laut der serbischen Bahnapp ein Zug auch ein Zug aus Belgrad eintreffen müsste. Die Fahrt durch das Zentrum von Niŝ im frühabendlichen Verkehr war nicht gerade langweilig, allerdings bei weitem nicht nervenaufreibend. Ich versuchte einfach irgendwie im Verkehr mitzuschwimmen, was auch ganz gut gelang. Nur einmal an einem Bahnübergang kurz vor dem Bahnhof, es dürfte sich entweder um die Strecke nach Dimitrovgrad, also Richtung Bulgarien oder ein Anschlussgleis gehandelt haben, verursachte ich ein Hupkonzert hinter mir, da ich mein Auto nicht über die massiv aufgebrochenen Kanten prügeln wollte.
Am Bahnhof angekommen fanden wir auch gleich einen Bankomat und machten erstmals Bekanntschaft mit den balkantypischen „Magazin“-Läden, die eine Auswahl an Lebensmitteln und anderen Waren und insbesondere kühlen Getränken bieten, sich hier in der Bahnhofsstraße sogar aneinanderreihten und noch in vielen, auch (sehr) kleinen Ortschaften zu finden sind. So etwas vermisse ich hierzulande. Wir schlenderten ein wenig die Straße entlang, denn neben den kleinen „Tante-Emma-Läden“, boten auch einige leckere Sachen vom Grill feil. Aber der Essenserwerb musste warten, schließlich sollte nun der Zug aus Belgrad eintreffen. Aber neben etwas ungeordnetem Straßenverkehr und den Magazin-Läden gehören auch leider stark verspätete oder ganz ausfallende Züge zum Balkan. Generell hat die Bahn in Serbien keinen hohen Verkehrswert. Der erwartete Zug aus Belgrad ist einer von nur fünf Zügen, die täglich die größte mit der drittgrößten Stadt des Landes verbinden. Und die Fahrtzeit ist weit mehr als doppelt so groß, wie über die Autobahn. Danke, Powerchina. Der Bahnhof Niŝ spiegelt den Niedergang auch wider. Die Gebäude machen zumindest äußerlich einen maroden Eindruck, tlw. bröckelt der Beton der durchaus imposant sozialistisch, brutalistisch gestalteten Ensemble, aber es nicht ungepflegt.


Großer Bahnhof ohne Züge, die Empfangshalle des Bahnhofs Niŝ.

Die Einfahrt des Zuges auf den Hausbahnsteig hätte sogar ein schönes Motiv abgegeben, denn im Hintergrund ragten einige, unverkennbar nach Balkan aussehenden, Wohnblöcke empor, aber leider kam der Zug nicht. Während der Wartezeit ging einmal ein Bahnbediensteter recht strammen Schrittes vor zu einem kleinen Gebäude, ähnlich eines Schrankenpostens. Zudem ertönte von irgendwo ein Pfiff. Aber auch 10 Minuten danach erschien nichts auf der Bildfläche und der Mitarbeiter hatte seinen Posten auch wieder verlassen. Für mich etwas verwunderlich, da der Bahnsteig doch ganz gut mit Menschen gesäumt war, denn der ankommende Zug sollte eine Stunde später wieder gen Norden starten. Nachdem die planmäßige Ankunftszeit 45 Minuten zurücklag und die Sonne mehr und mehr im Dunst versank, ließ ich es bleiben. Man sollte die Geduld der Familie nicht schon am Anfang überstrapazieren. Vor allem nicht, wenn diese hungrig warten. Wir holten uns in der Ladenmeile am Bahnhof das bereits vorher ausgeguckte Essen. Eine Art gefülltes Fladenbrot mit viel Fleisch und allerhand verschiedenen Gemüse. Nein, es handelte sich nicht um einen Döner und schmeckte auch nicht so. Die Wünsche wurden mangels sprachlicher Mittel mit Handzeichen vermittelt, was ziemlich gut gelang. Der Grillchef wollte dann noch wissen, wo wir herkämen und machte einen, ja doch erfreuten Eindruck, als wir Deutschland sagten. Noch ein paar kalte Getränke im Magazin nebenan eingesackt und dann durch den nachlassenden Verkehr zum Hotel, wo die Nahrungseinnahme im klimatisierten Zimmer eine wahre Wohltat war, die Temperaturen draußen lagen immer noch weit über 30°C. Beim Start am Bahnhof sahen wir noch einen Bus, aber ob der jetzt den Schienenersatzverkehr realisierte oder ein planmäßiger Überlandbus war, konnte ich nicht sagen. Sehr schade, dass die serbische Bahnapp keinerlei Daten zum tatsächlichen Fahrtverlauf bereitstellt.
Noch ein paar Worte zu den Preisen hier. Das Hotel war im Vergleich zu Deutschland ein wenig günstiger, unsere 4 gut gefüllten Fleischtaschen kosteten samt Getränke hingegen nicht einmal 10 Euro.


Wenn es schon keine „bewegten“ Bilder gibt, wenigstens eine Standaufnahme von 461 013, die sich im Abendlicht sonnt.


Dienstag, 18.07.2023

Die Klimaanlage kühlte fast ein wenig zu stark herunter. Ich überlegte beim nächtlichen Erwachen sogar, ein T-Shirt anzuziehen. Der Wecker klingelte wieder weit vor der Aufstehzeit der anderen Familienmitglieder, denn der Frühzug nach Belgrad sollte im Bahnhof abgelichtet werden. Also sofern er im Bahnhof stünde. Sofern nicht, müsste man jedenfalls nicht wie am gestrigen Abend ungewiss warten. Die Fahrt zum Bahnhof war unerwartet ruhig, ich hatte mir ein ziemlich chaotisches morgendliches Gewusel vorgestellt, aber die Straßen zeigten sich wenig bevölkert. So gab es beim Überqueren des holprigen Bahnübergangs kurz vor dem Bahnhof auch kein Hupen. Am Bahnhof angekommen, stand doch tatsächlich ein Eisenbahnfahrzeug zur Abfahrt bereit. Ich hatte auf eine lokbespannte Garnitur gehofft, es war aber ein neuer FLIRT III. Was soll’s, immerhin überhaupt ein Zug. Ich nahm ihn in verschiedenen Einstellungen vom Nachbarbahnsteig auf und kam dabei schon wieder ganz schön ins Schiwitzen, denn die Temperatur stieg in der Sonne rasch in Richtung 30°C-Marke.


Der Vectron der Triebwagen, auch die staatliche Eisenbahngesellschaft ŽS hat sich im bei Stadler im FLIRT-Produktregal bedient und 21 Züge beschafft. Warum dieses Exemplar der als Reihe 413 bezeichneten Fahrzeuge die Ordnungsnummer 025 besitzt, ist mir schleierhaft.

Im Grunde war ich schon ganz zufrieden, aber natürlich kann man jetzt auch noch eine Streckenaufnahme anfertigen. Auf eine größere Autofahrt hatte ich keine Lust und ein Motiv hatte ich auch nicht im Blick. Also musste etwas im Stadtbereich gehen. Die Strecke beschreibt nach dem Bahnhof eine 90°-Kehre und überquert erst eine Straße und dann den der Stadt ihren Namen gebenden Fluss Niŝava. Die Stahlträgerbrücke bot dem Satellitenbild zufolge nur wenig Motiv, da das Fachwerk den Zug verdeckt. Zudem hätte ich einen potentiellen Standpunkt eh nicht erreicht, da der Verkehr nun doch stark zugenommen hatte. Also schaute ich mir den Bahnübergang an. Dort direkt warf ein mehrgeschossiges Hochhaus einen langen Schatten, zur Erinnerung, es war erst 07:20 Uhr. Aber ein paar Meter weiter hinten gab es einen kleinen Lichtbereich, der für eine spitze Perspektive genügte. Etwas ernüchternd war, dass auch hier im urbanen Bereich die Strecke von Büschen und Sträuchern gesäumt war. Eine schöne Anekdote während der kurzen Wartezeit, ein alter Yugo bog um die Ecke und stoppte direkt neben mir. Die Scheibe ging herunter und ich erwartete bereits eine Hand-Fuß-Kommunikation, um zu erklären was ich hier mache. Weit gefehlt. Der schon etwas betagtere Fahrer hielt eine Fernbedienung in die Höhe und es öffnete sich ein verrostetes Garagentor. Swag!


Re 2902 hat seine mehr als fünfstündige Fahrt in die Hauptstadt angetreten und wird gleich wieder im noch zu Niŝ gehörenden Bahnhof Crveni Krst halten.

Bereits am gestrigen Abend auf, dass die Stadt mehr als nur ein kurze Zwischenübernachtung wert zu sein scheint. Dieser Eindruck verstärkte sich auch jetzt wieder, es gibt einen schönen Stadtkern, eine Festung, viel Kultur…vielleicht beim nächsten Mal. Jetzt stand erstmal Aktivierung der restlichen Familienmitglieder an. Kein Problem, wenn man einen Pool auf dem Dach in die Tischmitte werfen kann. Die Badesession war erfrischend, zeigte aber auch, dass uns heute wieder ein sehr heißer Tag bevorsteht, denn in den sonnenbeschienenen Flecken, konnte man es jetzt schon kaum noch aushalten. Von der Dachterrasse konnte man sogar die Bahnstrecke nach Zaječar sehen. Da sollte sogar im Laufe des Vormittags ein Zug fahren. Aber auf dessen Sichtung verzichtete ich zugunsten des exquisiten Frühstücks.


Blick von der mit Pool ausgestatteten Dachterrasse des Hotels auf eine typische Balkan-Hausbaustelle und die Strecke nach Zaječar durch die Berge.

Heute sollte die letzte Etappe zum Ziel in Dobrinishte erfolgen. Das waren zwar nicht mehr viele Kilometer, allerdings stand uns noch der Grenzübertritt bevor, an der, Zitat: schlimmsten Grenze der EU. Da wir aber durch die Zeitumstellung, eine Stunde vor in Bulgarien, sowieso Zeit verlieren und spät ankommen würden und noch ein wenig Serbien mitnehmen wollten, fiel mein Vorschlag durch das Hinterland in Richtung Grenze zu fahren und dabei das Serbienmotiv schlechthin in Niŝevac mitzunehmen, auf fruchtbaren Boden. Dieses Motiv ist für mich zu vergleichen mit dem Landwasserviadukt oder der Burg Streĉno in der Slowakei. Ein Landschaftsblick, der stellvertretend für das ganze, oder zumindest für ein Großteil des Landes steht. Genau dies symbolisiert die durch Felsentunnel verlaufende Strecke in diesem Bereich. Die Fahrt dorthin gestaltete sich angenehm, wenig Verkehr und die Straßen waren bis auf ein paar enge Ortsdurchfahrten ziemlich gut ausgebaut. Erst der letzte Abschnitt von Svrljig (wie spricht man das aus?) nach Niŝevac war ein wenig abenteuerlicher, wobei die Straße sich gut in Schuss zeigte, nur etwas schmal bei zwei entgegenkommenden Traktoren. In Niŝevac parkte ich das Auto im Schatten am Bahnsteig des Haltepunktes, der allen Balkanklischees entsprach. Ein fast verfallenes Häuschen als EG, ein ausgeschlachtetes Sofa als Sitzgelegenheit und einen „Fahrplan“, der mir zunächst gar nicht auffiel, da ich ihn für irgendein Geschmier hielt.


Der Fahrplan des Haltepunkts Niŝevac zeigt alles, was man wissen muss. Zwei Züge nach und zwei von Niŝ.

In den Fokus rücken sollte der Zug 12:19 Uhr nach Zaječar als Nachschuss. Hochlicht und Nachschuss geht eigentlich gar nicht, aber wenn man schon mal hier ist und nicht zu der Fraktion Eisenbahnfotografen gehört, die jährlich mehrere Urlaube ausschließlich zum Fotografieren durchführt, sondern mit Familie unterwegs ist, die das Hobby zwar gutheißt und unterstützt, es aber nicht selbst zum Lebensinhalt bestimmt, dann schraubt man die Hürde nicht unnötig in die Höhe. Wie schon am Vorabend gab ich dem Zug ein gewisses Verspätungspolster. Aber nix tat sich und man würde den Zug aufgrund der vielen unbeschrankten Bahnübergänge wahrscheinlich schon deutlich eher hören. Nachdem es mir in der Mittagshitze zu heiß geworden ist, ging ich wieder zurück zum Auto. Der bereits eine knappe Stunde zuvor passierte Hofhund quittierte mein Vorbeigehen wieder mit einem kurzen Augenaufschlag. Der Gegenzug etwa anderthalb Stunden später würde hier lichttechnisch auch noch machbar sein, aber selbstverständlich konnte man hier in der Mittagshitze nicht so lange warten. Bei anderen Wetterverhältnissen, wäre eine kleine Wanderung durch die Schlucht oder die Felsen hoch eine Alternative gewesen, aber bei inzwischen wieder 35°C kam das nicht in Frage, wenngleich die Luftfeuchtigkeit hier in den Bergen geringere Werte aufwies, als um Niŝ herum. Zudem knurrte der Magen, so fuhren wir zurück nach Svrljig um nach einem Café Ausschau zu halten. Ich wollte aber zunächst einmal in Erfahrung bringen, ob denn der Nachmittagszug zu erwarten ist, also stoppten wir am Bahnhof, wo ich dem örtlichen Chef nur „Autobus“ von den Lippen entlocken konnte.


Manchmal verliert man und manchmal gewinnen die Anderen – das Felsenmotiv gibt es so nur ohne Zug.

Schade, kein Zug heute. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass man sich den Ausflug hier hoch hätte sparen können und inzwischen wohl schon fast in Bulgarien wäre, negativ betrachtet. Positiv gesehen, konnte man nun in Ruhe ein Eis genießen und auch gleich noch ein wenig für die nächsten Tage einkaufen. All das erledigten wir gleich hier in Svrljig an einem Magazin-Laden dann fuhren wir nicht den schnellsten, dafür den kürzesten Weg hinunter zur Autobahn. Die Straße 223, der Straßenhierarchie einer Bundesstraße hierzulande entsprechend, war jedoch für mitteleuropäische Verhältnisse ziemlich abenteuerlich, für hiesige Verhältnisse wahrscheinlich völlig normal. Es gab zwar einen gestreiften Mittelstreifen, den musste man aber zwangsläufig mittig unter die Räder nehmen, denn links und rechts davon blieb nicht viel Platz. Wahrscheinlich war die Straße mal breiter, aber die Natur hatte sich ein Großteil des Asphalts zurückerobert. Und immer wieder verschwand der Asphalt ganz und ging in eine löcherübersäte Feldwegpiste über. Erst kurz vor der Autobahn wurde daraus wieder eine richtige Straße, was wahrscheinlich einem Steinbruch zu verdanken war, der gerade von zahlreichen Lkw belagert wurde.


Noch stark verbreitet in Serbien sind die Lizenzbauten von Golf I und Co, erkennbar am TAS-Logo im Kühlergrill, wie bei diesem gut gepflegten Exemplar in Svrljig.


Schwedische Eisenbahnfahrzeuge gehören inzwischen zum Alltag auf dem Balkan, Pkw eher weniger. Kurzer Zwischenstopp auf der Schotterpiste bei Babin Kal

Die Fahrt auf der Autobahn an Pirot vorbei zur Grenze war dank der bestens ausgebauten Straße schnell erledigt. Auch die Eisenbahnstrecke erblickte man immer mal wieder, meist jedoch hinter Sträuchern und Büschen. Da es hier keinen planmäßigen Personenverkehr gibt und der Güterverkehr wohl auch alles andere als dicht beschrieben wird, sah ich von einem weiteren Fotostopp ab. Das sollte sich als gute Entscheidung herausstellen, denn trotz sehr wenig Verkehr staute es sich an der Grenze und erst dreieinhalb Stunden später sollten wir diese passiert haben. Warum das so lange dauerte, dafür habe ich auch heute noch keine genaue Erklärung. Die Abfertigung der Pkws ging eigentlich recht zügig voran. Es wurden die Pässe und die Fahrzeugpapiere kontrolliert, was vielleicht ein bis maximal zwei-Minuten pro Pkw verschlang. Dass dann dadurch aber bei etwa 20 Fahrzeugen vor uns allein auf serbischer Seite mehr als anderthalb Stunden zusammenkamen, bleibt ein Geheimnis der serbischen Grenzer. Dem Ruf als schlimmster Grenzübergang des europäischen Festlandes wurde dann aber das „Niemandsland“ zwischen Serbien und Bulgarien gerecht. Gab es auf serbischer Seite noch feste Spuren, in welchen sich die Pkw einordneten, befand man sich nun auf einer großen Fläche wieder, ohne jegliche Fahrbahnmarkierungen oder andere ordnende Strukturen. So begann ein ziemliches Chaos, denn frustriert von der Wartezeit auf serbischer Seite und angesichts der inzwischen fast vierzig Grad im Schatten anzeigenden Celciusskala, fuhren viele einfach wild drauf los und standen dann komplett quer und schief vor der sich kurz vor den Grenzhäuschen wieder nur auf vier Spuren verjüngenden Fahrbahn, abgefahrene Spiegel und Blechschäden inklusive. Viele Deutsche Nummernschilder versammelten sich hier. Als Tourist fühlte man sich dennoch alleine, da die meisten türkischstämmige Deutsch waren, die den Sommerurlaub zum Besuch der Verwandtschaft nutzte und das war nun einmal die schnellste Route nach Istanbul and beyond. Obwohl nur ein paar Hundert Meter zurückgelegt werden mussten, vergingen mehr als zwei Stunden, bis wir wieder Fahrt in Richtung Ziel aufnahmen.


40°C Hitze und lange Standzeiten erfordern Kreativität hinsichtlich der Motorkühlung bei etwas älteren Fahrzeugen, wie der Fahrer dieses Berliner Opel Astra beweist.

Hinter der Grenze das gleiche Bild, wie davor. So gut wie kein Verkehr. Wir kommen zu dem Schluss, dass es uns an dieser Grenze wahrscheinlich noch viel schlimmer hätte treffen können. Im feinsten Abendlicht passieren wir die Hauptstadt Sofia und schwenken von dort in südliche Richtung. Einen kurzen Essenshalt gab es bei einer auch hierzulande bestens bekannten Fastfoodkette an der augenscheinlich erst vor kurzem fertiggestellten Autobahn, die bis Blagoewgrad reichte. Von dort führte eine ebenfalls sehr gut ausgebaute Straße hinauf auf die Hochebene von Bansko, die wir die nächsten Tage noch besser kennenlernen durften. Ziemlich müde erreichten wir die Ferienwohnung in Dobrinishte. Draußen herrschten nun angenehme Temperaturen um die 20°C, was positiv zur Kenntnis genommen wurde, denn als einzige Unterkunft unserer Reise verfügte die Unterkunft nicht über eine Klimaanlage. Dank der Höhe und der damit verbunden niedrigeren Nachttemperaturen, sollten sich mit Lüften aber auch die hohen Tagestemperaturen aushalten lassen. Nachdem alles Gepäck verstaut war, ging es auch umgehend ins Bett.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Im nächsten Teil widmen wir uns dann voll und ganz der Rhodopenbahn und den Schönheiten des Piringebirges.

VG aus FG
Björn